"Zueignung.\n\nIhr naht euch wieder, schwankende Gestalten,\nDie früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.\nVersuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?\nFühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?\nIhr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,\nWie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;\nMein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert\nVom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.\n\nIhr bringt mit euch die Bilder froher Tage,\nUnd manche liebe Schatten steigen auf;\nGleich einer alten, halbverklungnen Sage\nKommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf;\nDer Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage\nDes Lebens labyrinthisch irren Lauf,\nUnd nennt die Guten, die, um schöne Stunden\nVom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.\n\nSie hören nicht die folgenden Gesänge,\nDie Seelen, denen ich die ersten sang;\nZerstoben ist das freundliche Gedränge,\nVerklungen, ach! der erste Widerklang.\nMein Lied ertönt der unbekannten Menge,\nIhr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,\nUnd was sich sonst an meinem Lied erfreuet,\nWenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.\n\nUnd mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen\nNach jenem stillen, ernsten Geisterreich,\nEs schwebet nun in unbestimmten Tönen\nMein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich,\nEin Schauer faßt mich, Träne folgt den Tränen,\nDas strenge Herz, es fühlt sich mild und weich;\nWas ich besitze, seh ich wie im Weiten,\nUnd was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.\n\nVorspiel auf dem Theater\n\nDirektor. Theatherdichter. Lustige Person:\n\nDIREKTOR:\nIhr beiden, die ihr mir so oft,\nIn Not und Trübsal, beigestanden,\nSagt, was ihr wohl in deutschen Landen\nVon unsrer Unternehmung hofft?\nIch wünschte sehr der Menge zu behagen,\nBesonders weil sie lebt und leben läßt.\nDie Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,\nUnd jedermann erwartet sich ein Fest.\nSie sitzen schon mit hohen Augenbraunen\nGelassen da und möchten gern erstaunen.\nIch weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt;\nDoch so verlegen bin ich nie gewesen:\nZwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,\nAllein sie haben schrecklich viel gelesen.\nWie machen wir's, daß alles frisch und neu\nUnd mit Bedeutung auch gefällig sei?\nDenn freilich mag ich gern die Menge sehen,\nWenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt,\nUnd mit gewaltig wiederholten Wehen\nSich durch die enge Gnadenpforte zwängt;\nBei hellem Tage, schon vor vieren,\nMit Stößen sich bis an die Kasse ficht\nUnd, wie in Hungersnot um Brot an Bäckertüren,\nUm ein Billet sich fast die Hälse bricht.\nDies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute\nDer Dichter nur; mein Freund, o tu es heute!\n\nDICHTER:\nO sprich mir nicht von jener bunten Menge,\nBei deren Anblick uns der Geist entflieht.\nVerhülle mir das wogende Gedränge,\nDas wider Willen uns zum Strudel zieht.\nNein, führe mich zur stillen Himmelsenge,\nWo nur dem Dichter reine Freude blüht;\nWo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen\nMit Götterhand erschaffen und erpflegen.\n\nAch! was in tiefer Brust uns da entsprungen,\nWas sich die Lippe schüchtern vorgelallt,\nMißraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen,\nVerschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.\nOft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,\nErscheint es in vollendeter Gestalt.\nWas glänzt, ist für den Augenblick geboren,\nDas Echte bleibt der Nachwelt unverloren.\n\nLUSTIGE PERSON:\nWenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte.\nGesetzt, daß ich von Nachwelt reden wollte,\nWer machte denn der Mitwelt Spaß?\nDen will sie doch und soll ihn haben.\nDie Gegenwart von einem braven Knaben\nIst, dächt ich, immer auch schon was.\nWer sich behaglich mitzuteilen weiß,\nDen wird des Volkes Laune nicht erbittern;\nEr wünscht sich einen großen Kreis,\nUm ihn gewisser zu erschüttern.\nDrum seid nur brav und zeigt euch musterhaft,\nLaßt Phantasie, mit allen ihren Chören,\nVernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,\nDoch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.\n\nDIREKTOR:\nBesonders aber laßt genug geschehn!\nMan kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.\nWird vieles vor den Augen abgesponnen,\nSo daß die Menge staunend gaffen kann,\nDa habt Ihr in der Breite gleich gewonnen,\nIhr seid ein vielgeliebter Mann.\nDie Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen,\nEin jeder sucht sich endlich selbst was aus.\nWer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;\nUnd jeder geht zufrieden aus dem Haus.\nGebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!\nSolch ein Ragout, es muß Euch glücken;\nLeicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.\nWas hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht?\nDas Publikum wird es Euch doch zerpflücken.\n\nDICHTER:\nIhr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei!\nWie wenig das dem echten Künstler zieme!\nDer saubern Herren Pfuscherei\nIst. merk ich. schon bei Euch Maxime.\n\nDIREKTOR:\nEin solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt:\nEin Mann, der recht zu wirken denkt,\nMuß auf das beste Werkzeug halten.\nBedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,\nUnd seht nur hin, für wen Ihr schreibt!\nWenn diesen Langeweile treibt,\nKommt jener satt vom übertischten Mahle,\nUnd, was das Allerschlimmste bleibt,\nGar mancher kommt vom Lesen der Journale.\nMan eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,\nUnd Neugier nur beflügelt jeden Schritt;\nDie Damen geben sich und ihren Putz zum besten\nUnd spielen ohne Gage mit.\nWas träumet Ihr auf Eurer Dichterhöhe?\nWas macht ein volles Haus Euch froh?\nBeseht die Gönner in der Nähe!\nHalb sind sie kalt, halb sind sie roh.\nDer, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,\nDer eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.\nWas plagt ihr armen Toren viel,\nZu solchem Zweck, die holden Musen?\nIch sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr,\nSo könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren\nSucht nur die Menschen zu verwirren,\nSie zu befriedigen, ist schwer--\nWas fällt Euch an? Entzückung oder Schmerzen?\n\nDICHTER:\nGeh hin und such dir einen andern Knecht!\nDer Dichter sollte wohl das höchste Recht,\nDas Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,\nUm deinetwillen freventlich verscherzen!\nWodurch bewegt er alle Herzen?\nWodurch besiegt er jedes Element?\nIst es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt,\nUnd in sein Herz die Welt zurücke schlingt?\nWenn die Natur des Fadens ew'ge Länge,\nGleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,\nWenn aller Wesen unharmon'sche Menge\nVerdrießlich durcheinander klingt-\nWer teilt die fließend immer gleiche Reihe\nBelebend ab, daß sie sich rhythmisch regt?\nWer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe,\nWo es in herrlichen Akkorden schlägt?\nWer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüten?\nDas Abendrot im ernsten Sinne glühn?\nWer schüttet alle schönen Frühlingsblüten\nAuf der Geliebten Pfade hin?\nWer flicht die unbedeutend grünen Blätter\nZum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?\nWer sichert den Olymp? vereinet Götter?\nDes Menschen Kraft, im Dichter offenbart.\n\nLUSTIGE PERSON:\nSo braucht sie denn, die schönen Kräfte\nUnd treibt die dichtrischen Geschäfte\nWie man ein Liebesabenteuer treibt.\nZufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt\nUnd nach und nach wird man verflochten;\nEs wächst das Glück, dann wird es angefochten\nMan ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,\nUnd eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman.\nLaßt uns auch so ein Schauspiel geben!\nGreift nur hinein ins volle Menschenleben!\nEin jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,\nUnd wo ihr's packt, da ist's interessant.\nIn bunten Bildern wenig Klarheit,\nViel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,\nSo wird der beste Trank gebraut,\nDer alle Welt erquickt und auferbaut.\nDann sammelt sich der Jugend schönste Blüte\nVor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,\nDann sauget jedes zärtliche Gemüte\nAus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung,\nDann wird bald dies, bald jenes aufgeregt\nEin jeder sieht, was er im Herzen trägt.\nNoch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,\nSie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;\nWer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;\nEin Werdender wird immer dankbar sein.\n\nDICHTER:\nSo gib mir auch die Zeiten wieder,\nDa ich noch selbst im Werden war,\nDa sich ein Quell gedrängter Lieder\nUnunterbrochen neu gebar,\nDa Nebel mir die Welt verhüllten,\nDie Knospe Wunder noch versprach,\nDa ich die tausend Blumen brach,\nDie alle Täler reichlich füllten.\nIch hatte nichts und doch genug:\nDen Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.\nGib ungebändigt jene Triebe,\nDas tiefe, schmerzenvolle Glück,\nDes Hasses Kraft, die Macht der Liebe,\nGib meine Jugend mir zurück!\n\nLUSTIGE PERSON:\nDer Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,\nWenn dich in Schlachten Feinde drängen,\nWenn mit Gewalt an deinen Hals\nSich allerliebste Mädchen hängen,\nWenn fern des schnellen Laufes Kranz\nVom schwer erreichten Ziele winket,\nWenn nach dem heft'gen Wirbeltanz\nDie Nächte schmausend man vertrinket.\nDoch ins bekannte Saitenspiel\nMit Mut und Anmut einzugreifen,\nNach einem selbstgesteckten Ziel\nMit holdem Irren hinzuschweifen,\nDas, alte Herrn, ist eure Pflicht,\nUnd wir verehren euch darum nicht minder.\nDas Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,\nEs findet uns nur noch als wahre Kinder.\n\nDIREKTOR:\nDer Worte sind genug gewechselt,\nLaßt mich auch endlich Taten sehn!\nIndes ihr Komplimente drechselt,\nKann etwas Nützliches geschehn.\nWas hilft es, viel von Stimmung reden?\nDem Zaudernden erscheint sie nie.\nGebt ihr euch einmal für Poeten,\nSo kommandiert die Poesie.\nEuch ist bekannt, was wir bedürfen,\nWir wollen stark Getränke schlürfen;\nNun braut mir unverzüglich dran!\nWas heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,\nUnd keinen Tag soll man verpassen,\nDas Mögliche soll der Entschluß\nBeherzt sogleich beim Schopfe fassen,\nEr will es dann nicht fahren lassen\nUnd wirket weiter, weil er muß.\n\nIhr wißt, auf unsern deutschen Bühnen\nProbiert ein jeder, was er mag;\nDrum schonet mir an diesem Tag\nProspekte nicht und nicht Maschinen.\nGebraucht das groß, und kleine Himmelslicht,\nDie Sterne dürfet ihr verschwenden;\nAn Wasser, Feuer, Felsenwänden,\nAn Tier und Vögeln fehlt es nicht.\nSo schreitet in dem engen Bretterhaus\nDen ganzen Kreis der Schöpfung aus,\nUnd wandelt mit bedächt'ger Schnelle\nVom Himmel durch die Welt zur Hölle.\n\nProlog im Himmel.\n\nDer Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles.\nDie drei Erzengel treten vor.\n\nRAPHAEL:\nDie Sonne tönt, nach alter Weise,\nIn Brudersphären Wettgesang,\nUnd ihre vorgeschriebne Reise\nVollendet sie mit Donnergang.\nIhr Anblick gibt den Engeln Stärke,\nWenn keiner Sie ergründen mag;\ndie unbegreiflich hohen Werke\nSind herrlich wie am ersten Tag.\n\nGABRIEL:\nUnd schnell und unbegreiflich schnelle\nDreht sich umher der Erde Pracht;\nEs wechselt Paradieseshelle\nMit tiefer, schauervoller Nacht.\nEs schäumt das Meer in breiten Flüssen\nAm tiefen Grund der Felsen auf,\nUnd Fels und Meer wird fortgerissen\nIm ewig schnellem Sphärenlauf.\n\nMICHAEL:\nUnd Stürme brausen um die Wette\nVom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,\nund bilden wütend eine Kette\nDer tiefsten Wirkung rings umher.\nDa flammt ein blitzendes Verheeren\nDem Pfade vor des Donnerschlags.\nDoch deine Boten, Herr, verehren\nDas sanfte Wandeln deines Tags.\n\nZU DREI:\nDer Anblick gibt den Engeln Stärke,\nDa keiner dich ergründen mag,\nUnd alle deine hohen Werke\nSind herrlich wie am ersten Tag.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa du, o Herr, dich einmal wieder nahst\nUnd fragst, wie alles sich bei uns befinde,\nUnd du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,\nSo siehst du mich auch unter dem Gesinde.\nVerzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,\nUnd wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;\nMein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,\nHättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.\nVon Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen,\nIch sehe nur, wie sich die Menschen plagen.\nDer kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,\nUnd ist so wunderlich als wie am ersten Tag.\nEin wenig besser würd er leben,\nHättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;\nEr nennt's Vernunft und braucht's allein,\nNur tierischer als jedes Tier zu sein.\nEr scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden,\nWie eine der langbeinigen Zikaden,\nDie immer fliegt und fliegend springt\nUnd gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;\nUnd läg er nur noch immer in dem Grase!\nIn jeden Quark begräbt er seine Nase.\n\nDER HERR:\nHast du mir weiter nichts zu sagen?\nKommst du nur immer anzuklagen?\nIst auf der Erde ewig dir nichts recht?\n\nMEPHISTOPHELES:\nNein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.\nDie Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,\nIch mag sogar die armen selbst nicht plagen.\n\nDER HERR:\nKennst du den Faust?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDen Doktor?\n\nDER HERR:\nMeinen Knecht!\n\nMEPHISTOPHELES:\nFürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.\nNicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.\nIhn treibt die Gärung in die Ferne,\nEr ist sich seiner Tollheit halb bewußt;\nVom Himmel fordert er die schönsten Sterne\nUnd von der Erde jede höchste Lust,\nUnd alle Näh und alle Ferne\nBefriedigt nicht die tiefbewegte Brust.\n\nDER HERR:\nWenn er mir auch nur verworren dient,\nSo werd ich ihn bald in die Klarheit führen.\nWeiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,\nDas Blüt und Frucht die künft'gen Jahre zieren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!\nWenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,\nIhn meine Straße sacht zu führen.\n\nDER HERR:\nSolang er auf der Erde lebt,\nSo lange sei dir's nicht verboten,\nEs irrt der Mensch so lang er strebt.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa dank ich Euch; denn mit den Toten\nHab ich mich niemals gern befangen.\nAm meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.\nFür einem Leichnam bin ich nicht zu Haus;\nMir geht es wie der Katze mit der Maus.\n\nDER HERR:\nNun gut, es sei dir überlassen!\nZieh diesen Geist von seinem Urquell ab,\nUnd führ ihn, kannst du ihn erfassen,\nAuf deinem Wege mit herab,\nUnd steh beschämt, wenn du bekennen mußt:\nEin guter Mensch, in seinem dunklen Drange,\nIst sich des rechten Weges wohl bewußt.\n\nMEPHISTOPHELES:\nSchon gut! nur dauert es nicht lange.\nMir ist für meine Wette gar nicht bange.\nWenn ich zu meinem Zweck gelange,\nErlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.\nStaub soll er fressen, und mit Lust,\nWie meine Muhme, die berühmte Schlange.\n\nDER HERR:\nDu darfst auch da nur frei erscheinen;\nIch habe deinesgleichen nie gehaßt.\nVon allen Geistern, die verneinen,\nist mir der Schalk am wenigsten zur Last.\nDes Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,\ner liebt sich bald die unbedingte Ruh;\nDrum geb ich gern ihm den Gesellen zu,\nDer reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.\nDoch ihr, die echten Göttersöhne,\nErfreut euch der lebendig reichen Schöne!\nDas Werdende, das ewig wirkt und lebt,\nUmfass euch mit der Liebe holden Schranken,\nUnd was in schwankender Erscheinung schwebt,\nBefestigt mit dauernden Gedanken!\n(Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.)\n\nMEPHISTOPHELES (allein):\nVon Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,\nUnd hüte mich, mit ihm zu brechen.\nEs ist gar hübsch von einem großen Herrn,\nSo menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.\n\nFAUST: Der Tragödie erster Teil\n\nNacht.\n\nIn einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer Faust,\nunruhig auf seinem Sessel am Pulte.\n\nFAUST:\nHabe nun, ach! Philosophie,\nJuristerei und Medizin,\nUnd leider auch Theologie\nDurchaus studiert, mit heißem Bemühn.\nDa steh ich nun, ich armer Tor!\nUnd bin so klug als wie zuvor;\nHeiße Magister, heiße Doktor gar\nUnd ziehe schon an die zehen Jahr\nHerauf, herab und quer und krumm\nMeine Schüler an der Nase herum-\nUnd sehe, daß wir nichts wissen können!\nDas will mir schier das Herz verbrennen.\nZwar bin ich gescheiter als all die Laffen,\nDoktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;\nMich plagen keine Skrupel noch Zweifel,\nFürchte mich weder vor Hölle noch Teufel-\nDafür ist mir auch alle Freud entrissen,\nBilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,\nBilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,\nDie Menschen zu bessern und zu bekehren.\nAuch hab ich weder Gut noch Geld,\nNoch Ehr und Herrlichkeit der Welt;\nEs möchte kein Hund so länger leben!\nDrum hab ich mich der Magie ergeben,\nOb mir durch Geistes Kraft und Mund\nNicht manch Geheimnis würde kund;\nDaß ich nicht mehr mit saurem Schweiß\nZu sagen brauche, was ich nicht weiß;\nDaß ich erkenne, was die Welt\nIm Innersten zusammenhält,\nSchau alle Wirkenskraft und Samen,\nUnd tu nicht mehr in Worten kramen.\n\nO sähst du, voller Mondenschein,\nZum letzenmal auf meine Pein,\nDen ich so manche Mitternacht\nAn diesem Pult herangewacht:\nDann über Büchern und Papier,\nTrübsel'ger Freund, erschienst du mir!\nAch! könnt ich doch auf Bergeshöhn\nIn deinem lieben Lichte gehn,\nUm Bergeshöhle mit Geistern schweben,\nAuf Wiesen in deinem Dämmer weben,\nVon allem Wissensqualm entladen,\nIn deinem Tau gesund mich baden!\n\nWeh! steck ich in dem Kerker noch?\nVerfluchtes dumpfes Mauerloch,\nWo selbst das liebe Himmelslicht\nTrüb durch gemalte Scheiben bricht!\nBeschränkt mit diesem Bücherhauf,\nden Würme nagen, Staub bedeckt,\nDen bis ans hohe Gewölb hinauf\nEin angeraucht Papier umsteckt;\nMit Gläsern, Büchsen rings umstellt,\nMit Instrumenten vollgepfropft,\nUrväter Hausrat drein gestopft-\nDas ist deine Welt! das heißt eine Welt!\n\nUnd fragst du noch, warum dein Herz\nSich bang in deinem Busen klemmt?\nWarum ein unerklärter Schmerz\nDir alle Lebensregung hemmt?\nStatt der lebendigen Natur,\nDa Gott die Menschen schuf hinein,\nUmgibt in Rauch und Moder nur\nDich Tiergeripp und Totenbein.\n\nFlieh! auf! hinaus ins weite Land!\nUnd dies geheimnisvolle Buch,\nVon Nostradamus' eigner Hand,\nIst dir es nicht Geleit genug?\nErkennest dann der Sterne Lauf,\nUnd wenn Natur dich Unterweist,\nDann geht die Seelenkraft dir auf,\nWie spricht ein Geist zum andren Geist.\nUmsonst, daß trocknes Sinnen hier\nDie heil'gen Zeichen dir erklärt:\nIhr schwebt, ihr Geister, neben mir;\nAntwortet mir, wenn ihr mich hört!\n(Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)\n\nHa! welche Wonne fließt in diesem Blick\nAuf einmal mir durch alle meine Sinnen!\nIch fühle junges, heil'ges Lebensglück\nNeuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.\nWar es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,\nDie mir das innre Toben stillen,\nDas arme Herz mit Freude füllen,\nUnd mit geheimnisvollem Trieb\nDie Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen?\nBin ich ein Gott? Mir wird so licht!\nIch schau in diesen reinen Zügen\nDie wirkende Natur vor meiner Seele liegen.\nJetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht:\n\"Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;\nDein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!\nAuf, bade, Schüler, unverdrossen\nDie ird'sche Brust im Morgenrot!\"\n(er beschaut das Zeichen.)\n\nWie alles sich zum Ganzen webt,\nEins in dem andern wirkt und lebt!\nWie Himmelskräfte auf und nieder steigen\nUnd sich die goldnen Eimer reichen!\nMit segenduftenden Schwingen\nVom Himmel durch die Erde dringen,\nHarmonisch all das All durchklingen!\n\nWelch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!\nWo fass ich dich, unendliche Natur?\nEuch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,\nAn denen Himmel und Erde hängt,\nDahin die welke Brust sich drängt-\nIhr quellt, ihr tränkt, und schmacht ich so vergebens?\n(er schlägt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)\n\nWie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!\nDu, Geist der Erde, bist mir näher;\nSchon fühl ich meine Kräfte höher,\nSchon glüh ich wie von neuem Wein.\nIch fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,\nDer Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,\nMit Stürmen mich herumzuschlagen\nUnd in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.\nEs wölkt sich über mir-\nDer Mond verbirgt sein Licht-\nDie Lampe schwindet!\nEs dampft! Es zucken rote Strahlen\nMir um das Haupt- Es weht\nEin Schauer vom Gewölb herab\nUnd faßt mich an!\nIch fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist\nEnthülle dich!\nHa! wie's in meinem Herzen reißt!\nZu neuen Gefühlen\nAll meine Sinnen sich erwühlen!\nIch fühle ganz mein Herz dir hingegeben!\nDu mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!\n(Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus.\nEs zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.)\n\nGEIST:\nWer ruft mir?\n\nFAUST (abgewendet):\nSchreckliches Gesicht!\n\nGEIST:\nDu hast mich mächtig angezogen,\nAn meiner Sphäre lang gesogen,\nUnd nun-\n\nFAUST:\nWeh! ich ertrag dich nicht!\n\nGEIST:\nDu flehst, eratmend mich zu schauen,\nMeine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;\nMich neigt dein mächtig Seelenflehn,\nDa bin ich!- Welch erbärmlich Grauen\nFaßt Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?\nWo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf\nUnd trug und hegte, die mit Freudebeben\nErschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?\nWo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,\nDer sich an mich mit allen Kräften drang?\nBist du es, der, von meinem Hauch umwittert,\nIn allen Lebenslagen zittert,\nEin furchtsam weggekrümmter Wurm?\n\nFAUST:\nSoll ich dir, Flammenbildung, weichen?\nIch bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!\n\nGEIST:\nIn Lebensfluten, im Tatensturm\nWall ich auf und ab,\nWehe hin und her!\nGeburt und Grab,\nEin ewiges Meer,\nEin wechselndes Wehen,\nEin glühend Leben,\nSo schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit\nUnd wirke der Gottheit lebendiges Kleid.\n\nFAUST:\nDer du die weite Welt umschweifst,\nGeschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!\n\nGEIST:\nDu gleichst dem Geist, den du begreifst,\nNicht mir!\n(verschwindet)\n\nFAUST (zusammenstürzend):\nNicht dir?\nWem denn?\nIch Ebenbild der Gottheit!\nUnd nicht einmal dir!\n(es klopft)\n\nO Tod! ich kenn's- das ist mein Famulus-\nEs wird mein schönstes Glück zunichte!\nDaß diese Fülle der Geschichte\nDer trockne Schleicher stören muß!\n(Wagner im Schlafrock und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand.\nFaust wendet sich unwillig.)\n\nWAGNER:\nVerzeiht! ich hör euch deklamieren;\nIhr last gewiß ein griechisch Trauerspiel?\nIn dieser Kunst möcht ich was profitieren,\nDenn heutzutage wirkt das viel.\nIch hab es öfters rühmen hören,\nEin Komödiant könnt einen Pfarrer lehren.\n\nFAUST:\nJa, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;\nWie das denn wohl zuzeiten kommen mag.\n\nWAGNER:\nAch! wenn man so in sein Museum gebannt ist,\nUnd sieht die Welt kaum einen Feiertag,\nKaum durch ein Fernglas, nur von weitem,\nWie soll man sie durch Überredung leiten?\n\nFAUST:\nWenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,\nWenn es nicht aus der Seele dringt\nUnd mit urkräftigem Behagen\nDie Herzen aller Hörer zwingt.\nSitzt ihr nur immer! leimt zusammen,\nBraut ein Ragout von andrer Schmaus\nUnd blast die kümmerlichen Flammen\nAus eurem Aschenhäuschen 'raus!\nBewundrung von Kindern und Affen,\nWenn euch darnach der Gaumen steht-\nDoch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,\nWenn es euch nicht von Herzen geht.\n\nWAGNER:\nAllein der Vortrag macht des Redners Glück;\nIch fühl es wohl, noch bin ich weit zurück.\n\nFAUST:\nSuch Er den redlichen Gewinn!\nSei Er kein schellenlauter Tor!\nEs trägt Verstand und rechter Sinn\nMit wenig Kunst sich selber vor!\nUnd wenn's euch Ernst ist, was zu sagen,\nIst's nötig, Worten nachzujagen?\nJa, eure Reden, die so blinkend sind,\nIn denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,\nSind unerquicklich wie der Nebelwind,\nDer herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!\n\nWAGNER:\nAch Gott! die Kunst ist lang;\nUnd kurz ist unser Leben.\nMir wird, bei meinem kritischen Bestreben,\nDoch oft um Kopf und Busen bang.\nWie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,\nDurch die man zu den Quellen steigt!\nUnd eh man nur den halben Weg erreicht,\nMuß wohl ein armer Teufel sterben.\n\nFAUST:\nDas Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,\nWoraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?\nErquickung hast du nicht gewonnen,\nWenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.\n\nWAGNER:\nVerzeiht! es ist ein groß Ergetzen,\nSich in den Geist der Zeiten zu versetzen;\nZu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,\nUnd wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.\n\nFAUST:\nO ja, bis an die Sterne weit!\nMein Freund, die Zeiten der Vergangenheit\nSind uns ein Buch mit sieben Siegeln.\nWas ihr den Geist der Zeiten heißt,\nDas ist im Grund der Herren eigner Geist,\nIn dem die Zeiten sich bespiegeln.\nDa ist's denn wahrlich oft ein Jammer!\nMan läuft euch bei dem ersten Blick davon.\nEin Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer\nUnd höchstens eine Haupt- und Staatsaktion\nMit trefflichen pragmatischen Maximen,\nWie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!\n\nWAGNER:\nAllein die Welt! des Menschen Herz und Geist!\nMöcht jeglicher doch was davon erkennen.\n\nFAUST:\nJa, was man so erkennen heißt!\nWer darf das Kind beim Namen nennen?\nDie wenigen, die was davon erkannt,\nDie töricht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten,\nDem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,\nHat man von je gekreuzigt und verbrannt.\nIch bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,\nWir müssen's diesmal unterbrechen.\n\nWAGNER:\nIch hätte gern nur immer fortgewacht,\nUm so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.\nDoch morgen, als am ersten Ostertage,\nErlaubt mir ein' und andre Frage.\nMit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen;\nZwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen.\n(Ab.)\n\nFAUST (allein):\nWie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,\nDer immerfort an schalem Zeuge klebt,\nMit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt,\nUnd froh ist, wenn er Regenwürmer findet!\n\nDarf eine solche Menschenstimme hier,\nWo Geisterfülle mich umgab, ertönen?\nDoch ach! für diesmal dank ich dir,\nDem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.\nDu rittest mich von der Verzweiflung los,\nDie mir die Sinne schon zerstören wollte.\nAch! die Erscheinung war so riesengroß,\nDaß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.\n\nIch, Ebenbild der Gottheit, das sich schon\nGanz nah gedünkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit,\nSein selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit,\nUnd abgestreift den Erdensohn;\nIch, mehr als Cherub, dessen freie Kraft\nSchon durch die Adern der Natur zu fließen\nUnd, schaffend, Götterleben zu genießen\nSich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen!\nEin Donnerwort hat mich hinweggerafft.\n\nNicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen;\nHab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,\nSo hatt ich dich zu halten keine Kraft.\nZu jenem sel'gen Augenblicke\nIch fühlte mich so klein, so groß;\nDu stießest grausam mich zurück,\nIns ungewisse Menschenlos.\nWer lehret mich? was soll ich meiden?\nSoll ich gehorchen jenem Drang?\nAch! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,\nSie hemmen unsres Lebens Gang.\n\nDem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,\nDrängt immer fremd und fremder Stoff sich an;\nWenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,\nDann heißt das Beßre Trug und Wahn.\nDie uns das Leben gaben, herrliche Gefühle\nErstarren in dem irdischen Gewühle.\n\nWenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug\nUnd hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,\nSo ist ein kleiner Raum ihr genug,\nWenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.\nDie Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,\nDort wirket sie geheime Schmerzen,\nUnruhig wiegt sie sich und störet Luft und Ruh;\nSie deckt sich stets mit neuen Masken zu,\nSie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,\nAls Feuer, Wasser, Dolch und Gift;\nDu bebst vor allem, was nicht trifft,\nUnd was du nie verlierst, das mußt du stets beweinen.\n\nDen Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt;\nDem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt,\nDen, wie er sich im Staube nährend lebt,\nDes Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.\n\nIst es nicht Staub, was diese hohe Wand\nAus hundert Fächern mit verenget?\nDer Trödel, der mit tausendfachem Tand\nIn dieser Mottenwelt mich dränget?\nHier soll ich finden, was mir fehlt?\nSoll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,\nDaß überall die Menschen sich gequält,\nDaß hie und da ein Glücklicher gewesen?-\nWas grinsest du mir, hohler Schädel, her?\nAls daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret\nDen leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,\nMit Luft nach Wahrheit, jämmerlich geirret.\nIhr Instrumente freilich spottet mein,\nMit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:\nIch stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;\nZwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.\nGeheimnisvoll am lichten Tag\nLäßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,\nUnd was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,\nDas zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.\nDu alt Geräte, das ich nicht gebraucht,\nDu stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.\nDu alte Rolle, du wirst angeraucht,\nSolang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.\nWeit besser hätt ich doch mein Weniges verpraßt,\nAls mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen!\nWas du ererbt von deinem Vater hast,\nErwirb es, um es zu besitzen.\nWas man nicht nützt, ist eine schwere Last,\nNur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.\n\nDoch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?\nIst jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?\nWarum wird mir auf einmal lieblich helle,\nAls wenn im nächt'gen Wald uns Mondenglanz umweht?\n\nIch grüße dich, du einzige Phiole,\nDie ich mit Andacht nun herunterhole!\nIn dir verehr ich Menschenwitz und Kunst.\nDu Inbegriff der holden Schlummersäfte,\nDu Auszug aller tödlich feinen Kräfte,\nErweise deinem Meister deine Gunst!\nIch sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,\nIch fasse dich, das Streben wird gemindert,\nDes Geistes Flutstrom ebbet nach und nach.\nIns hohe Meer werd ich hinausgewiesen,\nDie Spiegelflut erglänzt zu meinen Füßen,\nZu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.\n\nEin Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,\nAn mich heran! Ich fühle mich bereit,\nAuf neuer Bahn den Äther zu durchdringen,\nZu neuen Sphären reiner Tätigkeit.\nDies hohe Leben, diese Götterwonne!\nDu, erst noch Wurm, und die verdienest du?\nJa, kehre nur der holden Erdensonne\nEntschlossen deinen Rücken zu!\nVermesse dich, die Pforten aufzureißen,\nVor denen jeder gern vorüberschleicht!\nHier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen,\nDas Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht,\nVor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,\nIn der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt,\nNach jenem Durchgang hinzustreben,\nUm dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;\nIn diesem Schritt sich heiter zu entschließen,\nUnd wär es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.\n\nNun komm herab, kristallne reine Schale!\nHervor aus deinem alten Futterale,\nAn die ich viele Jahre nicht gedacht!\nDu glänzetst bei der Väter Freudenfeste,\nErheitertest die ernsten Gäste,\nWenn einer dich dem andern zugebracht.\nDer vielen Bilder künstlich reiche Pracht,\nDes Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,\nAuf einen Zug die Höhlung auszuleeren,\nErinnert mich an manche Jugendnacht.\nIch werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,\nIch werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen.\nHier ist ein Saft, der eilig trunken macht;\nMit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.\nDen ich bereit, den ich wähle,\n\"Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,\nAls festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!\n(Er setzt die Schale an den Mund.)\nGlockenklang und Chorgesang.\n\nCHOR DER ENGEL:\nChrist ist erstanden!\nFreude dem Sterblichen,\nDen die verderblichen,\nSchleichenden, erblichen\nMängel unwanden.\n\nFAUST:\nWelch tiefes Summen, welch heller Ton\nZieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?\nVerkündigt ihr dumpfen Glocken schon\nDes Osterfestes erste Feierstunde?\nIhr Chöre, singt ihr schon den tröstlichen Gesang,\nDer einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,\nGewißheit einem neuen Bunde?\n\nCHOR DER WEIBER:\nMit Spezereien\nHatten wir ihn gepflegt,\nWir seine Treuen\nHatten ihn hingelegt;\nTücher und Binden\nReinlich unwanden wir,\nAch! und wir finden\nChrist nicht mehr hier.\n\nCHOR DER ENGEL:\nChrist ist erstanden!\nSelig der Liebende,\nDer die betrübende,\nHeilsam und übende\nPrüfung bestanden.\n\nFAUST:\nWas sucht ihr, mächtig und gelind,\nIhr Himmelstöne, mich am Staube?\nKlingt dort umher, wo weiche Menschen sind.\nDie Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;\nDas Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.\nZu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,\nWoher die holde Nachricht tönt;\nUnd doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,\nRuft er auch jetzt zurück mich in das Leben.\nSonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß\nAuf mich herab in ernster Sabbatstille;\nDa klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,\nUnd ein Gebet war brünstiger Genuß;\nEin unbegreiflich holdes Sehnen\nTrieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,\nUnd unter tausend heißen Tränen\nFühlt ich mir eine Welt entstehn.\nDies Lieb verkündete der Jugend muntre Spiele,\nDer Frühlingsfeier freies Glück;\nErinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,\nVom letzten, ernsten Schritt zurück.\nO tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!\nDie Träne quillt, die Erde hat mich wieder!\n\nCHOR DER JÜNGER:\nHat der Begrabene\nSchon sich nach oben,\nLebend Erhabene,\nHerrlich erhoben;\nIst er in Werdeluft\nSchaffender Freude nah:\nAch! an der Erde Brust\nSind wir zum Leide da.\nLieß er die Seinen\nSchmachtend uns hier zurück;\nAch! wir beweinen,\nMeister, dein Glück!\n\nCHOR DER ENGEL:\nChrist ist erstanden,\nAus der Verwesung Schoß.\nReißet von Banden\nFreudig euch los!\nTätig ihn preisenden,\nLiebe beweisenden,\nBrüderlich speisenden,\nPredigend reisenden,\nWonne verheißenden\nEuch ist der Meister nah,\nEuch ist er da!\n\nVor dem Tor\n\nSpaziergänger aller Art ziehen hinaus.\n\nEINIGE HANDWERKSBURSCHE:\nWarum denn dort hinaus?\n\nANDRE:\nWir gehn hinaus aufs Jägerhaus.\n\nDIE ERSTEN:\nWir aber wollen nach der Mühle wandern.\n\nEIN HANDWERKSBURSCH:\nIch rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn.\n\nZWEITER:\nDer Weg dahin ist gar nicht schön.\n\nDIE ZWEITEN:\nWas tust denn du?\n\nEIN DRITTER:\nIch gehe mit den andern.\n\nVIERTER:\nNach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr\nDie schönsten Mädchen und das beste Bier,\nUnd Händel von der ersten Sorte.\n\nFÜNFTER:\nDu überlustiger Gesell,\nJuckt dich zum drittenmal das Fell?\nIch mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.\n\nDIENSTMÄDCHEN:\nNein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.\n\nANDRE:\nWir finden ihn gewiß bei jenen Pappeln stehen.\n\nERSTE:\nDas ist für mich kein großes Glück;\nEr wird an deiner Seite gehen,\nMit dir nur tanzt er auf dem Plan.\nWas gehn mich deine Freuden an!\n\nANDRE:\nHeut ist er sicher nicht allein,\nDer Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein.\n\nSCHÜLER:\nBlitz, wie die wackern Dirnen schreiten!\nHerr Bruder, komm! wir müssen sie begleiten.\nEin starkes Bier, ein beizender Toback,\nUnd eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.\n\nBÜRGERMÄDCHEN:\nDa sieh mir nur die schönen Knaben!\nEs ist wahrhaftig eine Schmach:\nGesellschaft könnten sie die allerbeste haben,\nUnd laufen diesen Mägden nach!\nZWEITER SCHÜLER (zum ersten):\nNicht so geschwind! dort hinten kommen zwei,\nSie sind gar niedlich angezogen,\n's ist meine Nachbarin dabei;\nIch bin dem Mädchen sehr gewogen.\nSie gehen ihren stillen Schritt\nUnd nehmen uns doch auch am Ende mit.\n\nERSTER:\nHerr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.\nGeschwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren.\nDie Hand, die samstags ihren Besen führt\nWird sonntags dich am besten karessieren.\n\nBÜRGER:\nNein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister!\nNun, da er's ist, wird er nur täglich dreister.\nUnd für die Stadt was tut denn er?\nWird es nicht alle Tage schlimmer?\nGehorchen soll man mehr als immer,\nUnd zahlen mehr als je vorher.\n\nBETTLER (singt):\nIhr guten Herrn, ihr schönen Frauen,\nSo wohlgeputzt und backenrot,\nBelieb es euch, mich anzuschauen,\nUnd seht und mildert meine Not!\nLaßt hier mich nicht vergebens leiern!\nNur der ist froh, der geben mag.\nEin Tag, den alle Menschen feiern,\nEr sei für mich ein Erntetag.\n\nANDRER BÜRGER:\nNichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen\nAls ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,\nWenn hinten, weit, in der Türkei,\nDie Völker aufeinander schlagen.\nMan steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus\nUnd sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;\nDann kehrt man abends froh nach Haus,\nUnd segnet Fried und Friedenszeiten.\n\nDRITTER BÜRGER:\nHerr Nachbar, ja! so laß ich's auch geschehn:\nSie mögen sich die Köpfe spalten,\nMag alles durcheinander gehn;\nDoch nur zu Hause bleib's beim alten.\nALTE (zu den Bürgermädchen):\nEi! wie geputzt! das schöne junge Blut!\nWer soll sich nicht in euch vergaffen?-\nNur nicht so stolz! es ist schon gut!\nUnd was ihr wünscht, das wüßt ich wohl zu schaffen.\n\nBÜRGERMÄDCHEN:\nAgathe, fort! ich nehme mich in acht,\nMit solchen Hexen öffentlich zu gehen;\nSie ließ mich zwar in Sankt Andreas' Nacht\nDen künft'gen Liebsten leiblich sehen-\nDIE ANDRE:\nMir zeigte sie ihn im Kristall,\nSoldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;\nIch seh mich um, ich such ihn überall,\nAllein mir will er nicht begegnen.\n\nSOLDATEN:\nBurgen mit hohen\nMauern und Zinnen,\nMädchen mit stolzen\nHöhnenden Sinnen\nMöcht ich gewinnen!\nKühn ist das Mühen,\nHerrlich der Lohn!\n\nUnd die Trompete\nLassen wir werben,\nWie zu der Freude,\nSo zum Verderben.\nDas ist ein Stürmen!\nDas ist ein Leben!\nMädchen und Burgen\nMüssen sich geben.\nKühn ist das Mühen,\nHerrlich der Lohn!\nUnd die Soldaten\nZiehen davon.\n\nFaust und Wagner.\n\nFAUST:\nVom Eise befreit sind Strom und Bäche\nDurch des Frühlings holden, belebenden Blick;\nIm Tale grünet Hoffnungsglück;\nDer alte Winter, in seiner Schwäche,\nZog sich in rauhe Berge zurück.\nVon dorther sendet er, fliehend, nur\nOhnmächtige Schauer kornigen Eises\nIn Streifen über die grünende Flur;\nAber die Sonne duldet kein Weißes,\nÜberall regt sich Bildung und Streben,\nAlles will sie mit Farben beleben;\nDoch an Blumen fehlt's im Revier\nSie nimmt geputzte Menschen dafür.\nKehre dich um, von diesen Höhen\nNach der Stadt zurückzusehen.\nAus dem hohlen finstern Tor\nDringt ein buntes Gewimmel hervor.\nJeder sonnt sich heute so gern.\nSie feiern die Auferstehung des Herrn,\nDenn sie sind selber auferstanden,\nAus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,\nAus Handwerks- und Gewerbesbanden,\nAus dem Druck von Giebeln und Dächern,\nAus der Straßen quetschender Enge,\nAus der Kirchen ehrwürdiger Nacht\nSind sie alle ans Licht gebracht.\nSieh nur, sieh! wie behend sich die Menge\nDurch die Gärten und Felder zerschlägt,\nWie der Fluß, in Breit und Länge\nSo manchen lustigen Nachen bewegt,\nUnd bis zum Sinken überladen\nEntfernt sich dieser letzte Kahn.\nSelbst von des Berges fernen Pfaden\nBlinken uns farbige Kleider an.\nIch höre schon des Dorfs Getümmel,\nHier ist des Volkes wahrer Himmel,\nZufrieden jauchzet groß und klein:\nHier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!\n\nWAGNER:\nMit Euch, Herr Doktor, zu spazieren\nIst ehrenvoll und ist Gewinn;\nDoch würd ich nicht allein mich her verlieren,\nWeil ich ein Feind von allem Rohen bin.\nDas Fiedeln, Schreien, Kegelschieben\nIst mir ein gar verhaßter Klang;\nSie toben wie vom bösen Geist getrieben\nUnd nennen's Freude. nennen's Gesang.\n\nBauern unter der Linde. Tanz und Gesang.\n\nDer Schäfer putzte sich zum Tanz,\nMit bunter Jacke, Band und Kranz,\nSchmuck war er angezogen.\nSchon um die Linde war es voll,\nUnd alles tanzte schon wie toll.\nJuchhe! Juchhe!\nJuchheisa! Heisa! He!\nSo ging der Fiedelbogen.\n\nEr drückte hastig sich heran,\nDa stieß er an ein Mädchen an\nMit seinem Ellenbogen;\nDie frische Dirne kehrt, sich um\nUnd sagte: Nun, das find ich dumm!\nJuchhe! Juchhe!\nJuchheisa! Heisa! He!\nSeid nicht so ungezogen!\n\nDoch hurtig in dem Kreise ging's,\nSie tanzten rechts, sie tanzten links,\nUnd alle Röcke flogen.\nSie wurden rot, sie wurden warm\nUnd ruhten atmend Arm in Arm,\nJuchhe! Juchhe!\nJuchheisa! Heisa! He!\nUnd Hüft an Ellenbogen.\n\nUnd tu mir doch nicht so vertraut!\nWie mancher hat nicht seine Braut\nBelogen und betrogen!\nEr schmeichelte sie doch bei Seit,\nUnd von der Linde scholl es weit:\nJuchhe! Juchhe!\nJuchheisa! Heisa! He!\nGeschrei und Fiedelbogen.\n\nALTER BAUER:\nHerr Doktor, das ist schön von Euch,\nDaß Ihr uns heute nicht verschmäht,\nUnd unter dieses Volksgedräng,\nAls ein so Hochgelahrter, geht.\nSo nehmet auch den schönsten Krug,\nDen wir mit frischem Trunk gefüllt,\nIch bring ihn zu und wünsche laut,\nDaß er nicht nur den Durst Euch stillt:\nDie Zahl der Tropfen, die er hegt,\nSei Euren Tagen zugelegt.\n\nFAUST:\nIch nehme den Erquickungstrank\nEnwidr' euch allen Heil und Dank.\n(Das Volk sammelt sich im Kreis umher.)\n\nALTER BAUER:\nFürwahr, es ist sehr wohl getan,\nDaß Ihr am frohen Tag erscheint;\nHabt Ihr es vormals doch mit uns\nAn bösen Tagen gut gemeint!\nGar mancher steht lebendig hier\nDen Euer Vater noch zuletzt\nDer heißen Fieberwut entriß,\nAls er der Seuche Ziel gesetzt.\nAuch damals Ihr, ein junger Mann,\nIhr gingt in jedes Krankenhaus,\nGar manche Leiche trug man fort,\nIhr aber kamt gesund heraus,\nBestandet manche harte Proben;\nDem Helfer half der Helfer droben.\n\nALLE:\nGesundheit dem bewährten Mann,\nDaß er noch lange helfen kann!\n\nFAUST:\nVor jenem droben steht gebückt,\nDer helfen lehrt und Hülfe schickt.\n(Er geht mit Wagnern weiter.)\n\nWAGNER:\nWelch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,\nBei der Verehrung dieser Menge haben!\nO glücklich, wer von seinen Gaben\nSolch einen Vorteil ziehen kann!\nDer Vater zeigt dich seinem Knaben,\nEin jeder fragt und drängt und eilt,\nDie Fiedel stockt, der Tänzer weilt.\nDu gehst, in Reihen stehen sie,\nDie Mützen fliegen in die Höh;\nUnd wenig fehlt, so beugten sich die Knie,\nAls käm das Venerabile.\n\nFAUST:\nNur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,\nHier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.\nHier saß ich oft gedankenvoll allein\nUnd quälte mich mit Beten und mit Fasten.\nAn Hoffnung reich, im Glauben fest,\nMit Tränen, Seufzen, Händeringen\nDacht ich das Ende jener Pest\nVom Herrn des Himmels zu erzwingen.\nDer Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.\nO könntest du in meinem Innern lesen,\nWie wenig Vater und Sohn\nSolch eines Ruhmes wert gewesen!\nMein Vater war ein dunkler Ehrenmann,\nDer über die Natur und ihre heil'gen Kreise\nIn Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,\nMit grillenhafter Mühe sann;\nDer, in Gesellschaft von Adepten,\nSich in die schwarze Küche schloß,\nUnd, nach unendlichen Rezepten,\nDas Widrige zusammengoß.\nDa ward ein roter Leu, ein kühner Freier,\nIm lauen Bad der Lilie vermählt,\nUnd beide dann mit offnem Flammenfeuer\nAus einem Brautgemach ins andere gequält.\nErschien darauf mit bunten Farben\nDie junge Königin im Glas,\nHier war die Arzenei, die Patienten starben,\nUnd niemand fragte: wer genas?\nSo haben wir mit höllischen Latwergen\nIn diesen Tälern, diesen Bergen\nWeit schlimmer als die Pest getobt.\nIch habe selbst den Gift an Tausende gegeben:\nSie welkten hin, ich muß erleben,\nDaß man die frechen Mörder lobt.\n\nWAGNER:\nWie könnt Ihr Euch darum betrüben!\nTut nicht ein braver Mann genug,\nDie Kunst, die man ihm übertrug,\nGewissenhaft und pünktlich auszuüben?\nWenn du als Jüngling deinen Vater ehrst,\nSo wirst du gern von ihm empfangen;\nWenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst,\nSo kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.\n\nFAUST:\nO glücklich, wer noch hoffen kann,\nAus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!\nWas man nicht weiß, das eben brauchte man,\nUnd was man weiß, kann man nicht brauchen.\nDoch laß uns dieser Stunde schönes Gut\nDurch solchen Trübsinn nicht verkümmern!\nBetrachte, wie in Abendsonne-Glut\nDie grünumgebnen Hütten schimmern.\nSie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,\nDort eilt sie hin und fördert neues Leben.\nO daß kein Flügel mich vom Boden hebt\nIhr nach und immer nach zu streben!\nIch säh im ewigen Abendstrahl\nDie stille Welt zu meinen Füßen,\nEntzündet alle Höhn beruhigt jedes Tal,\nDen Silberbach in goldne Ströme fließen.\nNicht hemmte dann den göttergleichen Lauf\nDer wilde Berg mit allen seinen Schluchten;\nSchon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten\nVor den erstaunten Augen auf.\nDoch scheint die Göttin endlich wegzusinken;\nAllein der neue Trieb erwacht,\nIch eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken,\nVor mir den Tag und hinter mir die Nacht,\nDen Himmel über mir und unter mir die Wellen.\nEin schöner Traum, indessen sie entweicht.\nAch! zu des Geistes Flügeln wird so leicht\nKein körperlicher Flügel sich gesellen.\nDoch ist es jedem eingeboren\nDaß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,\nWenn über uns, im blauen Raum verloren,\nIhr schmetternd Lied die Lerche singt;\nWenn über schroffen Fichtenhöhen\nDer Adler ausgebreitet schwebt,\nUnd über Flächen, über Seen\nDer Kranich nach der Heimat strebt.\n\nWAGNER:\nIch hatte selbst oft grillenhafte Stunden,\nDoch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.\nMan sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;\nDes Vogels Fittich werd ich nie beneiden.\nWie anders tragen uns die Geistesfreuden\nVon Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!\nDa werden Winternächte hold und schön\nEin selig Leben wärmet alle Glieder,\nUnd ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,\nSo steigt der ganze Himmel zu dir nieder.\n\nFAUST:\nDu bist dir nur des einen Triebs bewußt,\nO lerne nie den andern kennen!\nZwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,\nDie eine will sich von der andern trennen;\nDie eine hält, in derber Liebeslust,\nSich an die Welt mit klammernden Organen;\nDie andre hebt gewaltsam sich vom Dust\nZu den Gefilden hoher Ahnen.\nO gibt es Geister in der Luft,\nDie zwischen Erd und Himmel herrschend weben\nSo steiget nieder aus dem goldnen Duft\nUnd führt mich weg zu neuem, buntem Leben!\nJa, wäre nur ein Zaubermantel mein,\nUnd trüg er mich in fremde Länder!\nMir sollt er um die köstlichsten Gewänder,\nNicht feil um einen Königsmantel sein.\n\nWAGNER:\nBerufe nicht die wohlbekannte Schar,\nDie strömend sich im Dunstkreis überbreitet,\nDem Menschen tausendfältige Gefahr,\nVon allen Enden her, bereitet.\nVon Norden dringt der scharfe Geisterzahn\nAuf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;\nVon Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,\nUnd nähren sich von deinen Lungen;\nWenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,\nDie Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen\nSo bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,\nUm dich und Feld und Aue zu ersäufen.\nSie hören gern, zum Schaden froh gewandt,\nGehorchen gern, weil sie uns gern betrügen;\nSie stellen wie vom Himmel sich gesandt,\nUnd lispeln englisch, wenn sie lügen.\nDoch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,\nDie Luft gekühlt, der Nebel fällt!\nAm Abend schätzt man erst das Haus.-\nWas stehst du so und blickst erstaunt hinaus?\nWas kann dich in der Dämmrung so ergreifen?\n\nFAUST:\nSiehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?\n\nWAGNER:\nIch sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.\n\nFAUST:\nBetracht ihn recht! für was hältst du das Tier?\n\nWAGNER:\nFür einen Pudel, der auf seine Weise\nSich auf der Spur des Herren plagt.\n\nFAUST:\nBemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise\nEr um uns her und immer näher jagt?\nUnd irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel\nAuf seinen Pfaden hinterdrein.\n\nWAGNER:\nIch sehe nichts als einen schwarzen Pudel;\nEs mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.\n\nFAUST:\nMir scheint es, daß er magisch leise Schlingen\nZu künft'gem Band um unsre Füße zieht.\n\nWAGNER:\nIch seh ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,\nWeil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.\n\nFAUST:\nDer Kreis wird eng, schon ist er nah!\n\nWAGNER:\nDu siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.\nEr knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,\nEr wedelt. Alles Hundebrauch.\n\nFAUST:\nGeselle dich zu uns! Komm hier!\n\nWAGNER:\nEs ist ein pudelnärrisch Tier.\nDu stehest still, er wartet auf;\nDu sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;\nVerliere was, er wird es bringen,\nNach deinem Stock ins Wasser springen.\n\nFAUST:\nDu hast wohl recht; ich finde nicht die Spur\nVon einem Geist, und alles ist Dressur.\n\nWAGNER:\nDem Hunde, wenn er gut gezogen,\nWird selbst ein weiser Mann gewogen.\nJa, deine Gunst verdient er ganz und gar,\nEr, der Studenten trefflicher Skolar.\n(Sie gehen in das Stadttor.)\n\nStudierzimmer\n\nFaust mit dem Pudel hereintretend.\n\nFAUST:\nVerlassen hab ich Feld und Auen,\nDie eine tiefe Nacht bedeckt,\nMit ahnungsvollem, heil'gem Grauen\nIn uns die beßre Seele weckt.\nEntschlafen sind nun wilde Triebe\nMit jedem ungestümen Tun;\nEs reget sich die Menschenliebe,\nDie Liebe Gottes regt sich nun. Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und\nwider!\nAn der Schwelle was schnoperst du hier?\nLege dich hinter den Ofen nieder,\nMein bestes Kissen geb ich dir.\nWie du draußen auf dem bergigen Wege\nDurch Rennen und Springen ergetzt uns hast,\nSo nimm nun auch von mir die Pflege,\nAls ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle\nDie Lampe freundlich wieder brennt,\nDann wird's in unserm Busen helle,\nIm Herzen, das sich selber kennt.\nVernunft fängt wieder an zu sprechen,\nUnd Hoffnung wieder an zu blühn,\nMan sehnt sich nach des Lebens Bächen,\nAch! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen\nTönen,\nDie jetzt meine ganze Seel umfassen,\nWill der tierische Laut nicht passen.\nWir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen,\nWas sie nicht verstehn,\nDaß sie vor dem Guten und Schönen,\nDas ihnen oft beschwerlich ist, murren;\nWill es der Hund, wie sie, beknurren?\n\nAber ach! schon fühl ich, bei dem besten Willen,\nBefriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.\nAber warum muß der Strom so bald versiegen,\nUnd wir wieder im Durste liegen?\nDavon hab ich so viel Erfahrung.\nDoch dieser Mangel läßt sich ersetzen,\nWir lernen das Überirdische schätzen,\nWir sehnen uns nach Offenbarung,\nDie nirgends würd'ger und schöner brennt\nAls in dem Neuen Testament.\nMich drängt's, den Grundtext aufzuschlagen,\nMit redlichem Gefühl einmal\nDas heilige Original\nIn mein geliebtes Deutsch zu übertragen,\n(Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.)\n\nGeschrieben steht: \"Im Anfang war das Wort!\"\nHier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?\nIch kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,\nIch muß es anders übersetzen,\nWenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.\nGeschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.\nBedenke wohl die erste Zeile,\nDaß deine Feder sich nicht übereile!\nIst es der Sinn, der alles wirkt und schafft?\nEs sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!\nDoch, auch indem ich dieses niederschreibe,\nSchon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.\nMir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat\nUnd schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!\n\nSoll ich mit dir das Zimmer teilen,\nPudel, so laß das Heulen,\nSo laß das Bellen!\nSolch einen störenden Gesellen\nMag ich nicht in der Nähe leiden.\nEiner von uns beiden\nMuß die Zelle meiden.\nUngern heb ich das Gastrecht auf,\nDie Tür ist offen, hast freien Lauf.\nAber was muß ich sehen!\nKann das natürlich geschehen?\nIst es Schatten? ist's Wirklichkeit?\nWie wird mein Pudel lang und breit!\nEr hebt sich mit Gewalt,\nDas ist nicht eines Hundes Gestalt!\nWelch ein Gespenst bracht ich ins Haus!\nSchon sieht er wie ein Nilpferd aus,\nMit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.\nOh! du bist mir gewiß!\nFür solche halbe Höllenbrut\nIst Salomonis Schlüssel gut.\nGEISTER (auf dem Gange):\nDrinnen gefangen ist einer!\nBleibet haußen, folg ihm keiner!\nWie im Eisen der Fuchs,\nZagt ein alter Höllenluchs.\nAber gebt acht!\nSchwebet hin, schwebet wider,\nAuf und nieder,\nUnd er hat sich losgemacht.\nKönnt ihr ihm nützen,\nLaßt ihn nicht sitzen!\nDenn er tat uns allen\nSchon viel zu Gefallen.\n\nFAUST:\nErst zu begegnen dem Tiere,\nBrauch ich den Spruch der Viere: Salamander soll glühen,\nUndene sich winden,\nSylphe verschwinden,\nKobold sich mühen. Wer sie nicht kennte\nDie Elemente,\nIhre Kraft\nUnd Eigenschaft,\nWäre kein Meister\nÜber die Geister. Verschwind in Flammen,\nSalamander!\nRauschend fließe zusammen,\nUndene!\nLeucht in Meteoren-Schöne,\nSylphe!\nBring häusliche Hülfe,\nIncubus! Incubus!\nTritt hervor und mache den Schluß! Keines der Viere\nSteckt in dem Tiere.\nEs liegt ganz ruhig und grinst mich an;\nIch hab ihm noch nicht weh getan.\nDu sollst mich hören\nStärker beschwören. Bist du, Geselle\nEin Flüchtling der Hölle?\nSo sieh dies Zeichen\nDem sie sich beugen,\nDie schwarzen Scharen! Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.\nVerworfnes Wesen!\nKannst du ihn lesen?\nDen nie Entsproßnen,\nUnausgesprochnen,\nDurch alle Himmel Gegoßnen,\nFreventlich Durchstochnen? Hinter den Ofen gebannt,\nSchwillt es wie ein Elefant\nDen ganzen Raum füllt es an,\nEs will zum Nebel zerfließen.\nSteige nicht zur Decke hinan!\nLege dich zu des Meisters Füßen!\nDu siehst, daß ich nicht vergebens drohe.\nIch versenge dich mit heiliger Lohe!\nErwarte nicht\nDas dreimal glühende Licht!\nErwarte nicht\nDie stärkste von meinen Künsten!\n(Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein\nfahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nWozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?\n\nFAUST:\nDas also war des Pudels Kern!\nEin fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch salutiere den gelehrten Herrn!\nIhr habt mich weidlich schwitzen machen.\n\nFAUST:\nWie nennst du dich?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDie Frage scheint mir klein Für einen, der das Wort so sehr verachtet,\nDer, weit entfernt von allem Schein,\nNur in der Wesen Tiefe trachtet.\n\nFAUST:\nBei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen\nGewöhnlich aus dem Namen lesen,\nWo es sich allzu deutlich weist,\nWenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.\nNun gut, wer bist du denn?\n\nMEPHISTOPHELES:\nEin Teil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute\nschafft.\n\nFAUST:\nWas ist mit diesem Rätselwort gemeint?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch bin der Geist, der stets verneint!\nUnd das mit Recht; denn alles, was entsteht,\nIst wert, daß es zugrunde geht;\nDrum besser wär's, daß nichts entstünde.\nSo ist denn alles, was ihr Sünde,\nZerstörung, kurz, das Böse nennt,\nMein eigentliches Element.\n\nFAUST:\nDu nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?\n\nMEPHISTOPHELES:\nBescheidne Wahrheit sprech ich dir.\nWenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt\nGewöhnlich für ein Ganzes hält-\nIch bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war\nEin Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar\nDas stolze Licht, das nun der Mutter Nacht\nDen alten Rang, den Raum ihr streitig macht,\nUnd doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,\nVerhaftet an den Körpern klebt.\nVon Körpern strömt's, die Körper macht es schön,\nEin Körper hemmt's auf seinem Gange;\nSo, hoff ich, dauert es nicht lange,\nUnd mit den Körpern wird's zugrunde gehn.\n\nFAUST:\nNun kenn ich deine würd'gen Pflichten!\nDu kannst im Großen nichts vernichten\nUnd fängst es nun im Kleinen an.\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd freilich ist nicht viel damit getan.\nWas sich dem Nichts entgegenstellt,\nDas Etwas, diese plumpe Welt\nSo viel als ich schon unternommen\nIch wußte nicht ihr beizukommen\nMit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand-\nGeruhig bleibt am Ende Meer und Land!\nUnd dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,\nDem ist nun gar nichts anzuhaben:\nWie viele hab ich schon begraben!\nUnd immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.\nSo geht es fort, man möchte rasend werden!\nDer Luft, dem Wasser wie der Erden\nEntwinden tausend Keime sich,\nIm Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!\nHätt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,\nIch hätte nichts Aparts für mich.\n\nFAUST:\nSo setzest du der ewig regen,\nDer heilsam schaffenden Gewalt\nDie kalte Teufelsfaust entgegen,\nDie sich vergebens tückisch ballt!\nWas anders suche zu beginnen\nDes Chaos wunderlicher Sohn!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWir wollen wirklich uns besinnen,\nDie nächsten Male mehr davon!\nDürft ich wohl diesmal mich entfernen?\n\nFAUST:\nIch sehe nicht, warum du fragst.\nIch habe jetzt dich kennen lernen\nBesuche nun mich, wie du magst.\nHier ist das Fenster, hier die Türe,\nEin Rauchfang ist dir auch gewiß.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGesteh ich's nur! daß ich hinausspaziere,\nVerbietet mir ein kleines Hindernis,\nDer Drudenfuß auf Eurer Schwelle-\n\nFAUST:\nDas Pentagramma macht dir Pein?\nEi sage mir, du Sohn der Hölle,\nWenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?\nWie ward ein solcher Geist betrogen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nBeschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:\nDer eine Winkel, der nach außen zu,\nIst, wie du siehst, ein wenig offen.\n\nFAUST:\nDas hat der Zufall gut getroffen!\nUnd mein Gefangner wärst denn du?\nDas ist von ungefähr gelungen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDer Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,\nDie Sache sieht jetzt anders aus:\nDer Teufel kann nicht aus dem Haus.\n\nFAUST:\nDoch warum gehst du nicht durchs Fenster?\n\nMEPHISTOPHELES:\n's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:\nWo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.\nDas erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.\n\nFAUST:\nDie Hölle selbst hat ihre Rechte?\nDas find ich gut, da ließe sich ein Pakt,\nUnd sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas man verspricht, das sollst du rein genießen,\nDir wird davon nichts abgezwackt.\nDoch das ist nicht so kurz zu fassen,\nUnd wir besprechen das zunächst\nDoch jetzo bitt ich, hoch und höchst,\nFür dieses Mal mich zu entlassen.\n\nFAUST:\nSo bleibe doch noch einen Augenblick,\nUm mir erst gute Mär zu sagen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nJetzt laß mich los! ich komme bald zurück;\nDann magst du nach Belieben fragen.\n\nFAUST:\nIch habe dir nicht nachgestellt,\nBist du doch selbst ins Garn gegangen.\nDen Teufel halte, wer ihn hält!\nEr wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit,\nDir zur Gesellschaft hier zu bleiben;\nDoch mit Bedingnis, dir die Zeit\nDurch meine Künste würdig zu vertreiben.\n\nFAUST:\nIch seh es gern, das steht dir frei;\nNur daß die Kunst gefällig sei!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu wirst, mein Freund, für deine Sinnen\nIn dieser Stunde mehr gewinnen\nAls in des Jahres Einerlei.\nWas dir die zarten Geister singen,\nDie schönen Bilder, die sie bringen,\nSind nicht ein leeres Zauberspiel.\nAuch dein Geruch wird sich ergetzen,\nDann wirst du deinen Gaumen letzen,\nUnd dann entzückt sich dein Gefühl.\nBereitung braucht es nicht voran,\nBeisammen sind wir, fanget an!\n\nGEISTER:\nSchwindet, ihr dunkeln\nWölbungen droben!\nReizender schaue\nFreundlich der blaue\nÄther herein!\nWären die dunkeln\nWolken zerronnen!\nSternelein funkeln,\nMildere Sonnen\nScheinen darein.\nHimmlischer Söhne\nGeistige Schöne,\nSchwankende Beugung\nSchwebet vorüber.\nSehnende Neigung\nFolget hinüber;\nUnd der Gewänder\nFlatternde Bänder\nDecken die Länder,\nDecken die Laube,\nWo sich fürs Leben,\nTief in Gedanken,\nLiebende geben.\nLaube bei Laube!\nSprossende Ranken!\nLastende Traube\nStürzt ins Behälter\nDrängender Kelter,\nStürzen in Bächen\nSchäumende Weine,\nRieseln durch reine,\nEdle Gesteine,\nLassen die Höhen\nHinter sich liegen,\nBreiten zu Seen\nSich ums Genüge\nGrünender Hügel.\nUnd das Geflügel\nSchlürfet sich Wonne,\nFlieget der Sonne,\nFlieget den hellen\nInseln entgegen,\nDie sich auf Wellen\nGauklend bewegen;\nWo wir in Chören\nJauchzende hören,\nÜber den Auen\nTanzende schauen,\nDie sich im Freien\nAlle zerstreuen.\nEinige klimmen\nÜber die Höhen,\nAndere schwimmen\nÜber die Seen,\nAndere schweben;\nAlle zum Leben,\nAlle zur Ferne\nLiebender Sterne,\nSeliger Huld.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEr schläft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!\nIhr habt ihn treulich eingesungen!\nFür dies Konzert bin ich in eurer Schuld.\nDu bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!\nUmgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,\nVersenkt ihn in ein Meer des Wahns;\nDoch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,\nBedarf ich eines Rattenzahns.\nNicht lange brauch ich zu beschwören,\nSchon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.\n\nDer Herr der Ratten und der Mäuse,\nDer Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse\nBefiehlt dir, dich hervor zu wagen\nUnd diese Schwelle zu benagen,\nSo wie er sie mit Öl betupft-\nDa kommst du schon hervorgehupft!\nNur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,\nSie sitzt ganz vornen an der Kante.\nNoch einen Biß, so ist's geschehn.-\nNun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.\n\nFAUST (erwachend):\nBin ich denn abermals betrogen?\nVerschwindet so der geisterreiche Drang\nDaß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,\nUnd daß ein Pudel mir entsprang?\n\nStudierzimmer\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nFAUST:\nEs klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch bin's.\n\nFAUST:\nHerein!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu mußt es dreimal sagen.\n\nFAUST:\nHerein denn!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSo gefällst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen;\nDenn dir die Grillen zu verjagen,\nBin ich als edler Junker hier,\nIn rotem, goldverbrämtem Kleide,\nDas Mäntelchen von starrer Seide,\nDie Hahnenfeder auf dem Hut,\nMit einem langen, spitzen Degen,\nUnd rate nun dir, kurz und gut,\nDergleichen gleichfalls anzulegen;\nDamit du, losgebunden, frei,\nErfahrest, was das Leben sei.\n\nFAUST:\nIn jedem Kleide werd ich wohl die Pein\nDes engen Erdelebens fühlen.\nIch bin zu alt, um nur zu spielen,\nZu jung, um ohne Wunsch zu sein.\nWas kann die Welt mir wohl gewähren?\nEntbehren sollst du! sollst entbehren!\nDas ist der ewige Gesang,\nDer jedem an die Ohren klingt,\nDen, unser ganzes Leben lang,\nUns heiser jede Stunde singt.\nNur mit Entsetzen wach ich morgens auf,\nIch möchte bittre Tränen weinen,\nDen Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf\nNicht einen Wunsch erfüllen wird, nicht einen,\nDer selbst die Ahnung jeder Lust\nMit eigensinnigem Krittel mindert,\nDie Schöpfung meiner regen Brust\nMit tausend Lebensfratzen hindert.\nAuch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,\nMich ängstlich auf das Lager strecken;\nAuch da wird keine Rast geschenkt,\nMich werden wilde Träume schrecken.\nDer Gott, der mir im Busen wohnt,\nKann tief mein Innerstes erregen;\nDer über allen meinen Kräften thront,\nEr kann nach außen nichts bewegen;\nUnd so ist mir das Dasein eine Last,\nDer Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.\n\nFAUST:\nO selig der, dem er im Siegesglanze\nDie blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet,\nDen er, nach rasch durchrastem Tanze,\nIn eines Mädchens Armen findet!\nO wär ich vor des hohen Geistes Kraft\nEntzückt, entseelt dahin gesunken!\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd doch hat jemand einen braunen Saft,\nIn jener Nacht, nicht ausgetrunken.\n\nFAUST:\nDas Spionieren, scheint's, ist deine Lust.\n\nMEPHISTOPHELES:\nAllwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.\n\nFAUST:\nWenn aus dem schrecklichen Gewühle\nEin süß bekannter Ton mich zog,\nDen Rest von kindlichem Gefühle\nMit Anklang froher Zeit betrog,\nSo fluch ich allem, was die Seele\nMit Lock- und Gaukelwerk umspannt,\nUnd sie in diese Trauerhöhle\nMit Blend- und Schmeichelkräften bannt!\nVerflucht voraus die hohe Meinung\nWomit der Geist sich selbst umfängt!\nVerflucht das Blenden der Erscheinung,\nDie sich an unsre Sinne drängt!\nVerflucht, was uns in Träumen heuchelt\nDes Ruhms, der Namensdauer Trug!\nVerflucht, was als Besitz uns schmeichelt,\nAls Weib und Kind, als Knecht und Pflug!\nVerflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen\nEr uns zu kühnen Taten regt,\nWenn er zu müßigem Ergetzen\nDie Polster uns zurechte legt!\nFluch sei dem Balsamsaft der Trauben!\nFluch jener höchsten Liebeshuld!\nFluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,\nUnd Fluch vor allen der Geduld!\n\nGEISTERCHOR (unsichtbar):\nWeh! weh!\nDu hast sie zerstört\nDie schöne Welt,\nMit mächtiger Faust;\nSie stürzt, sie zerfällt!\nEin Halbgott hat sie zerschlagen!\nWir tragen\nDie Trümmern ins Nichts hinüber,\nUnd klagen\nÜber die verlorne Schöne.\nMächtiger\nDer Erdensöhne,\nPrächtiger\nBaue sie wieder,\nIn deinem Busen baue sie auf!\nNeuen Lebenslauf\nBeginne,\nMit hellem Sinne,\nUnd neue Lieder\nTönen darauf!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDies sind die Kleinen\nVon den Meinen.\nHöre, wie zu Lust und Taten\nAltklug sie raten!\nIn die Welt weit,\nAus der Einsamkeit\nWo Sinnen und Säfte stocken,\nWollen sie dich locken. Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,\nDer, wie ein Geier, dir am Leben frißt;\nDie schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,\nDaß du ein Mensch mit Menschen bist.\nDoch so ist's nicht gemeint\nDich unter das Pack zu stoßen.\nIch bin keiner von den Großen;\nDoch willst du, mit mir vereint,\nDeine Schritte durchs Leben nehmen,\nSo will ich mich gern bequemen,\nDein zu sein, auf der Stelle.\nIch bin dein Geselle,\nUnd mach ich dir's recht,\nBin ich dein Diener, bin dein Knecht!\n\nFAUST:\nUnd was soll ich dagegen dir erfüllen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDazu hast du noch eine lange Frist.\n\nFAUST:\nNein, nein! der Teufel ist ein Egoist\nUnd tut nicht leicht um Gottes willen,\nWas einem andern nützlich ist.\nSprich die Bedingung deutlich aus;\nEin solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch will mich hier zu deinem Dienst verbinden,\nAuf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;\nWenn wir uns drüben wiederfinden,\nSo sollst du mir das gleiche tun.\n\nFAUST:\nDas Drüben kann mich wenig kümmern;\nSchlägst du erst diese Welt zu Trümmern,\nDie andre mag darnach entstehn.\nAus dieser Erde quillen meine Freuden,\nUnd diese Sonne scheinet meinen Leiden;\nKann ich mich erst von ihnen scheiden,\nDann mag, was will und kann, geschehn.\nDavon will ich nichts weiter hören,\nOb man auch künftig haßt und liebt,\nUnd ob es auch in jenen Sphären\nEin Oben oder Unten gibt.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIn diesem Sinne kannst du's wagen.\nVerbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,\nMit Freuden meine Künste sehn,\nIch gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.\n\nFAUST:\nWas willst du armer Teufel geben?\nWard eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,\nVon deinesgleichen je gefaßt?\nDoch hast du Speise, die nicht sättigt, hast\nDu rotes Gold, das ohne Rast,\nQuecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,\nEin Spiel, bei dem man nie gewinnt,\nEin Mädchen, das an meiner Brust\nMit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,\nDer Ehre schöne Götterlust,\nDie, wie ein Meteor, verschwindet?\nZeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,\nUnd Bäume, die sich täglich neu begrünen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nEin solcher Auftrag schreckt mich nicht,\nMit solchen Schätzen kann ich dienen.\nDoch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,\nWo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.\n\nFAUST:\nWerd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,\nSo sei es gleich um mich getan!\nKannst du mich schmeichelnd je belügen,\nDaß ich mir selbst gefallen mag,\nKannst du mich mit Genuß betrügen-\nDas sei für mich der letzte Tag!\nDie Wette biet ich!\n\nMEPHISTOPHELES:\nTopp!\n\nFAUST:\nUnd Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:\nVerweile doch! du bist so schön!\nDann magst du mich in Fesseln schlagen,\nDann will ich gern zugrunde gehn!\nDann mag die Totenglocke schallen,\nDann bist du deines Dienstes frei,\nDie Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,\nEs sei die Zeit für mich vorbei!\n\nMEPHISTOPHELES:\nBedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.\n\nFAUST:\nDazu hast du ein volles Recht;\nIch habe mich nicht freventlich vermessen.\nWie ich beharre, bin ich Knecht,\nOb dein, was frag ich, oder wessen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch werde heute gleich, beim Doktorschmaus,\nAls Diener meine Pflicht erfüllen.\nNur eins!- Um Lebens oder Sterbens willen\nBitt ich mir ein paar Zeilen aus.\n\nFAUST:\nAuch was Geschriebnes forderst du Pedant?\nHast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?\nIst's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort\nAuf ewig soll mit meinen Tagen schalten?\nRast nicht die Welt in allen Strömen fort,\nUnd mich soll ein Versprechen halten?\nDoch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,\nWer mag sich gern davon befreien?\nBeglückt, wer Treue rein im Busen trägt,\nKein Opfer wird ihn je gereuen!\nAllein ein Pergament, beschrieben und beprägt,\nIst ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.\nDas Wort erstirbt schon in der Feder,\nDie Herrschaft führen Wachs und Leder.\nWas willst du böser Geist von mir?\nErz, Marmor, Pergament, Papier?\nSoll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?\nIch gebe jede Wahl dir frei.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWie magst du deine Rednerei\nNur gleich so hitzig übertreiben?\nIst doch ein jedes Blättchen gut.\nDu unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.\n\nFAUST:\nWenn dies dir völlig Gnüge tut,\nSo mag es bei der Fratze bleiben.\n\nMEPHISTOPHELES:\nBlut ist ein ganz besondrer Saft.\n\nFAUST:\nNur keine Furcht, daß ich dies Bündnis breche!\nDas Streben meiner ganzen Kraft\nIst grade das, was ich verspreche.\nIch habe mich zu hoch gebläht,\nIn deinen Rang gehör ich nur.\nDer große Geist hat mich verschmäht,\nVor mir verschließt sich die Natur\nDes Denkens Faden ist zerrissen\nMir ekelt lange vor allem Wissen.\nLaß in den Tiefen der Sinnlichkeit\nUns glühende Leidenschaften stillen!\nIn undurchdrungnen Zauberhüllen\nSei jedes Wunder gleich bereit!\nStürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,\nIns Rollen der Begebenheit!\nDa mag denn Schmerz und Genuß,\nGelingen und Verdruß\nMiteinander wechseln, wie es kann;\nNur rastlos betätigt sich der Mann.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEuch ist kein Maß und Ziel gesetzt.\nBeliebt's Euch, überall zu naschen,\nIm Fliehen etwas zu erhaschen,\nBekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.\nNur greift mir zu und seid nicht blöde!\n\nFAUST:\nDu hörest ja, von Freud' ist nicht die Rede.\nDem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,\nVerliebtem Haß, erquickendem Verdruß.\nMein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,\nSoll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,\nUnd was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,\nWill ich in meinem innern Selbst genießen,\nMit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,\nIhr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,\nUnd so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,\nUnd, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.\n\nMEPHISTOPHELES:\nO glaube mir, der manche tausend Jahre\nAn dieser harten Speise kaut\nDaß von der Wiege bis zur Bahre\nKein Mensch den alten Sauerteig verdaut!\nGlaub unsereinem, dieses Ganze\nIst nur für einen Gott gemacht!\nEr findet sich in einem ew'gen Glanze\nUns hat er in die Finsternis gebracht,\nUnd euch taugt einzig Tag und Nacht.\n\nFAUST:\nAllein ich will!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas läßt sich hören! Doch nur vor einem ist mir bang:\nDie Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.\nIch dächt, ihr ließet Euch belehren.\nAssoziiert Euch mit einem Poeten,\nLaßt den Herrn in Gedanken schweifen,\nUnd alle edlen Qualitäten\nAuf Euren Ehrenscheitel häufen,\nDes Löwen Mut,\nDes Hirsches Schnelligkeit,\nDes Italieners feurig Blut,\nDes Nordens Dau'rbarkeit.\nLaßt ihn Euch das Geheimnis finden,\nGroßmut und Arglist zu verbinden,\nUnd Euch, mit warmen Jugendtrieben,\nNach einem Plane zu verlieben.\nMöchte selbst solch einen Herren kennen,\nWürd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.\n\nFAUST:\nWas bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,\nDer Menschheit Krone zu erringen,\nNach der sich alle Sinne dringen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu bist am Ende- was du bist.\nSetz dir Perücken auf von Millionen Locken,\nSetz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,\nDu bleibst doch immer, was du bist.\n\nFAUST:\nIch fühl's, vergebens hab ich alle Schätze\nDes Menschengeists auf mich herbeigerafft,\nUnd wenn ich mich am Ende niedersetze,\nQuillt innerlich doch keine neue Kraft;\nIch bin nicht um ein Haar breit höher,\nBin dem Unendlichen nicht näher.\n\nMEPHISTOPHELES:\nMein guter Herr, Ihr seht die Sachen,\nWie man die Sachen eben sieht;\nWir müssen das gescheiter machen,\nEh uns des Lebens Freude flieht.\nWas Henker! freilich Händ und Füße\nUnd Kopf und Hintern, die sind dein;\nDoch alles, was ich frisch genieße,\nIst das drum weniger mein?\nWenn ich sechs Hengste zahlen kann,\nSind ihre Kräfte nicht die meine?\nIch renne zu und bin ein rechter Mann,\nAls hätt ich vierundzwanzig Beine.\nDrum frisch! Laß alles Sinnen sein,\nUnd grad mit in die Welt hinein!\nIch sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,\nIst wie ein Tier, auf dürrer Heide\nVon einem bösen Geist im Kreis herum geführt,\nUnd rings umher liegt schöne grüne Weide.\n\nFAUST:\nWie fangen wir das an?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWir gehen eben fort. Was ist das für ein Marterort?\nWas heißt das für ein Leben führen,\nSich und die Jungens ennuyieren?\nLaß du das dem Herrn Nachbar Wanst!\nWas willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?\nDas Beste, was du wissen kannst,\nDarfst du den Buben doch nicht sagen.\nGleich hör ich einen auf dem Gange!\n\nFAUST:\nMir ist's nicht möglich, ihn zu sehn.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDer arme Knabe wartet lange,\nDer darf nicht ungetröstet gehn.\nKomm, gib mir deinen Rock und Mütze;\nDie Maske muß mir köstlich stehn. (Er kleidet sich um.)\nNun überlaß es meinem Witze!\nIch brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;\nIndessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!\n(Faust ab.)\n\nMEPHISTOPHELES (in Fausts langem Kleide):\nVerachte nur Vernunft und Wissenschaft,\nDes Menschen allerhöchste Kraft,\nLaß nur in Blend- und Zauberwerken\nDich von dem Lügengeist bestärken,\nSo hab ich dich schon unbedingt-\nIhm hat das Schicksal einen Geist gegeben,\nDer ungebändigt immer vorwärts dringt,\nUnd dessen übereiltes Streben\nDer Erde Freuden überspringt.\nDen schlepp ich durch das wilde Leben,\nDurch flache Unbedeutenheit,\nEr soll mir zappeln, starren, kleben,\nUnd seiner Unersättlichkeit\nSoll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;\nEr wird Erquickung sich umsonst erflehn,\nUnd hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,\nEr müßte doch zugrunde gehn!\n(Ein SCHÜLER tritt auf.)\n\nSCHÜLER:\nIch bin allhier erst kurze Zeit,\nUnd komme voll Ergebenheit,\nEinen Mann zu sprechen und zu kennen,\nDen alle mir mit Ehrfucht nennen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEure Höflichkeit erfreut mich sehr!\nIhr seht einen Mann wie andre mehr.\nHabt Ihr Euch sonst schon umgetan?\n\nSCHÜLER:\nIch bitt Euch, nehmt Euch meiner an!\nIch komme mit allem guten Mut,\nLeidlichem Geld und frischem Blut;\nMeine Mutter wollte mich kaum entfernen;\nMöchte gern was Rechts hieraußen lernen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa seid Ihr eben recht am Ort.\n\nSCHÜLER:\nAufrichtig, möchte schon wieder fort:\nIn diesen Mauern, diesen Hallen\nWill es mir keineswegs gefallen.\nEs ist ein gar beschränkter Raum,\nMan sieht nichts Grünes, keinen Baum,\nUnd in den Sälen, auf den Bänken,\nVergeht mir Hören, Sehn und Denken.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas kommt nur auf Gewohnheit an.\nSo nimmt ein Kind der Mutter Brust\nNicht gleich im Anfang willig an,\nDoch bald ernährt es sich mit Lust.\nSo wird's Euch an der Weisheit Brüsten\nMit jedem Tage mehr gelüsten.\n\nSCHÜLER:\nAn ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;\nDoch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nErklärt Euch, eh Ihr weiter geht,\nWas wählt Ihr für eine Fakultät?\n\nSCHÜLER:\nIch wünschte recht gelehrt zu werden,\nUnd möchte gern, was auf der Erden\nUnd in dem Himmel ist, erfassen,\nDie Wissenschaft und die Natur.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa seid Ihr auf der rechten Spur;\nDoch müßt Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.\n\nSCHÜLER:\nIch bin dabei mit Seel und Leib;\nDoch freilich würde mir behagen\nEin wenig Freiheit und Zeitvertreib\nAn schönen Sommerfeiertagen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,\nDoch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.\nMein teurer Freund, ich rat Euch drum\nZuerst Collegium Logicum.\nDa wird der Geist Euch wohl dressiert,\nIn spanische Stiefeln eingeschnürt,\nDaß er bedächtiger so fortan\nHinschleiche die Gedankenbahn,\nUnd nicht etwa, die Kreuz und Quer,\nIrrlichteliere hin und her.\nDann lehret man Euch manchen Tag,\nDaß, was Ihr sonst auf einen Schlag\nGetrieben, wie Essen und Trinken frei,\nEins! Zwei! Drei! dazu nötig sei.\nZwar ist's mit der Gedankenfabrik\nWie mit einem Weber-Meisterstück,\nWo ein Tritt tausend Fäden regt,\nDie Schifflein herüber hinüber schießen,\nDie Fäden ungesehen fließen,\nEin Schlag tausend Verbindungen schlägt.\nDer Philosoph, der tritt herein\nUnd beweist Euch, es müßt so sein:\nDas Erst wär so, das Zweite so,\nUnd drum das Dritt und Vierte so;\nUnd wenn das Erst und Zweit nicht wär,\nDas Dritt und Viert wär nimmermehr.\nDas preisen die Schüler allerorten,\nSind aber keine Weber geworden.\nWer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,\nSucht erst den Geist heraus zu treiben,\nDann hat er die Teile in seiner Hand,\nFehlt, leider! nur das geistige Band.\nEncheiresin naturae nennt's die Chemie,\nSpottet ihrer selbst und weiß nicht wie.\n\nSCHÜLER:\nKann Euch nicht eben ganz verstehen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas wird nächstens schon besser gehen,\nWenn Ihr lernt alles reduzieren\nUnd gehörig klassifizieren.\n\nSCHÜLER:\nMir wird von alledem so dumm,\nAls ging, mir ein Mühlrad im Kopf herum.\n\nMEPHISTOPHELES:\nNachher, vor allen andern Sachen,\nMüßt Ihr Euch an die Metaphysik machen!\nDa seht, daß Ihr tiefsinnig faßt,\nWas in des Menschen Hirn nicht paßt;\nFür was drein geht und nicht drein geht,\nEin prächtig Wort zu Diensten steht.\nDoch vorerst dieses halbe Jahr\nNehmt ja der besten Ordnung wahr.\nFünf Stunden habt Ihr jeden Tag;\nSeid drinnen mit dem Glockenschlag!\nHabt Euch vorher wohl präpariert,\nParagraphos wohl einstudiert,\nDamit Ihr nachher besser seht,\nDaß er nichts sagt, als was im Buche steht;\nDoch Euch des Schreibens ja befleißt,\nAls diktiert, Euch der Heilig Geist!\n\nSCHÜLER:\nDas sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!\nIch denke mir, wie viel es nützt\nDenn, was man schwarz auf weiß besitzt,\nKann man getrost nach Hause tragen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDoch wählt mir eine Fakultät!\n\nSCHÜLER:\nZur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,\nIch weiß, wie es um diese Lehre steht.\nEs erben sich Gesetz' und Rechte\nWie eine ew'ge Krankheit fort;\nSie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,\nUnd rücken sacht von Ort zu Ort.\nVernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;\nWeh dir, daß du ein Enkel bist!\nVom Rechte, das mit uns geboren ist,\nVon dem ist, leider! nie die Frage.\n\nSCHÜLER:\nMein Abscheu wird durch Euch vermehrt.\nO glücklich der, den Ihr belehrt!\nFast möcht ich nun Theologie studieren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch wünschte nicht, Euch irre zu führen.\nWas diese Wissenschaft betrifft,\nEs ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,\nEs liegt in ihr so viel verborgnes Gift,\nUnd von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.\nAm besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hört,\nUnd auf des Meisters Worte schwört.\nIm ganzen- haltet Euch an Worte!\nDann geht Ihr durch die sichre Pforte\nZum Tempel der Gewißheit ein.\n\nSCHÜLER:\nDoch ein Begriff muß bei dem Worte sein.\nMEPHISTOPHELES:\nSchon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen\nDenn eben wo Begriffe fehlen,\nDa stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.\nMit Worten läßt sich trefflich streiten,\nMit Worten ein System bereiten,\nAn Worte läßt sich trefflich glauben,\nVon einem Wort läßt sich kein Jota rauben.\n\nSCHÜLER:\nVerzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,\nAllem ich muß Euch noch bemühn.\nWollt Ihr mir von der Medizin\nNicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?\nDrei Jahr ist eine kurze Zeit,\nUnd, Gott! das Feld ist gar zu weit.\nWenn man einen Fingerzeig nur hat,\nLäßt sich's schon eher weiter fühlen.\n\nMEPHISTOPHELES (für sich):\nIch bin des trocknen Tons nun satt,\nMuß wieder recht den Teufel spielen.\n(Laut.) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;\nIhr durchstudiert die groß, und kleine Welt,\nUm es am Ende gehn zu lassen,\nWie's Gott gefällt.\nVergebens, daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,\nEin jeder lernt nur, was er lernen kann;\nDoch der den Augenblick ergreift,\nDas ist der rechte Mann.\nIhr seid noch ziemlich wohl gebaut,\nAn Kühnheit wird's Euch auch nicht fehlen,\nUnd wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,\nVertrauen Euch die andern Seelen.\nBesonders lernt die Weiber führen;\nEs ist ihr ewig Weh und Ach\nSo tausendfach\nAus einem Punkte zu kurieren,\nUnd wenn Ihr halbweg ehrbar tut,\nDann habt Ihr sie all unterm Hut.\nEin Titel muß sie erst vertraulich machen,\nDaß Eure Kunst viel Künste übersteigt;\nZum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,\nUm die ein andrer viele Jahre streicht,\nVersteht das Pülslein wohl zu drücken,\nUnd fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,\nWohl um die schlanke Hüfte frei,\nZu sehn, wie fest geschnürt sie sei.\n\nSCHÜLER:\nDas sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGrau, teurer Freund, ist alle Theorie,\nUnd grün des Lebens goldner Baum.\n\nSCHÜLER:\nIch schwör Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.\nDürft ich Euch wohl ein andermal beschweren,\nVon Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas ich vermag, soll gern geschehn.\n\nSCHÜLER:\nIch kann unmöglich wieder gehn,\nIch muß Euch noch mein Stammbuch überreichen,\nGönn Eure Gunst mir dieses Zeichen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSehr wohl.\n(Er schreibt und gibt's.)\n\nSCHÜLER (liest):\nEritis sicut Deus, scientes bonum et malum.\n(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nFolg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,\nDir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!\n(Faust tritt auf.)\n\nFAUST:\nWohin soll es nun gehn?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWohin es dir gefällt.\nWir sehn die kleine, dann die große Welt.\nMit welcher Freude, welchem Nutzen\nWirst du den Cursum durchschmarutzen!\n\nFAUST:\nAllein bei meinem langen Bart\nFehlt mir die leichte Lebensart.\nEs wird mir der Versuch nicht glücken;\nIch wußte nie mich in die Welt zu schicken.\nVor andern fühl ich mich so klein;\nIch werde stets verlegen sein.\n\nMEPHISTOPHELES:\nMein guter Freund, das wird sich alles geben;\nSobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.\n\nFAUST:\nWie kommen wir denn aus dem Haus?\nWo hast du Pferde, Knecht und Wagen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWir breiten nur den Mantel aus,\nDer soll uns durch die Lüfte tragen.\nDu nimmst bei diesem kühnen Schritt\nNur keinen großen Bündel mit.\nEin bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,\nHebt uns behend von dieser Erde.\nUnd sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;\nIch gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!\n\nAuerbachs Keller in Leipzig\n\nZeche lustiger Gesellen.\n\nFROSCH:\nWill keiner trinken? keiner lachen?\nIch will euch lehren Gesichter machen!\nIhr seid ja heut wie nasses Stroh,\nUnd brennt sonst immer lichterloh.\n\nBRANDER:\nDas liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,\nNicht eine Dummheit, keine Sauerei.\n\nFROSCH (giesst ihm ein Glas Wein über den Kopf):\nDa hast du beides!\n\nBRANDER:\nDoppelt Schwein!\n\nFROSCH:\nIhr wollt es ja, man soll es sein!\n\nSIEBEL:\nZur Tür hinaus, er sich entzweit!\nMit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!\nAuf! Holla! Ho!\n\nALTMAYER:\nWeh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.\n\nSIEBEL:\nWenn das Gewölbe widerschallt,\nFühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.\n\nFROSCH:\nSo recht, hinaus mit dem, der etwas übel nimmt!\nA! tara lara da!\n\nALTMAYER:\nA! tara lara da!\n\nFROSCH:\nDie Kehlen sind gestimmt.\n(Singt.)\nDas liebe Heil'ge Röm'sche Reich,\nWie hält's nur noch zusammen?\n\nBRANDER:\nEin garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied\nEin leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,\nDaß ihr nicht braucht fürs Röm'sche Reich zu sorgen!\nIch halt es wenigstens für reichlichen Gewinn,\nDaß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.\nDoch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;\nWir wollen einen Papst erwählen.\nIhr wißt, welch eine Qualität\nDen Ausschlag gibt, den Mann erhöht.\n\nFROSCH (singt):\nSchwing dich auf, Frau Nachtigall,\nGrüß mir mein Liebchen zehentausendmal.\n\nSIEBEL:\nDem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören!\n\nFROSCH:\nDem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir's nicht verwehren!\n\n(Singt.)\nRiegel auf! in stiller Nacht.\nRiegel auf! der Liebste wacht.\nRiegel zu! des Morgens früh.\n\nSIEBEL:\nJa, singe, singe nur und lob und rühme sie!\nIch will zu meiner Zeit schon lachen.\nSie hat mich angeführt, dir wird sie's auch so machen.\nZum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!\nDer mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;\nEin alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,\nMag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!\nEin braver Kerl von echtem Fleisch und Blut\nIst für die Dirne viel zu gut.\nIch will von keinem Gruße wissen,\nAls ihr die Fenster eingeschmissen\n\nBRANDER (auf den Tisch schlagend):\nPaßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!\nIhr Herrn, gesteht, ich weiß zu leben\nVerliebte Leute sitzen hier,\nUnd diesen muß, nach Standsgebühr,\nZur guten Nacht ich was zum besten geben.\nGebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!\nUnd singt den Rundreim kräftig mit!\n(Er singt.)\nEs war eine Ratt im Kellernest,\nLebte nur von Fett und Butter,\nHatte sich ein Ränzlein angemäst't,\nAls wie der Doktor Luther.\nDie Köchin hatt ihr Gift gestellt;\nDa ward's so eng ihr in der Welt,\nAls hätte sie Lieb im Leibe.\n\nCHORUS (jauchzend):\nAls hätte sie Lieb im Leibe.\n\nBRANDER:\nSie fuhr herum, sie fuhr heraus,\nUnd soff aus allen Pfützen,\nZernagt', zerkratzt, das ganze Haus,\nWollte nichts ihr Wüten nützen;\nSie tät gar manchen Ängstesprung,\nBald hatte das arme Tier genung,\nAls hätt es Lieb im Leibe.\n\nCHORUS:\nAls hätt es Lieb im Leibe.\n\nBRANDER:\nSie kam vor Angst am hellen Tag\nDer Küche zugelaufen,\nFiel an den Herd und zuckt, und lag,\nUnd tät erbärmlich schnaufen.\nDa lachte die Vergifterin noch:\nHa! sie pfeift auf dem letzten Loch,\nAls hätte sie Lieb im Leibe.\n\nCHORUS:\nAls hätte sie Lieb im Leibe.\n\nSIEBEL:\nWie sich die platten Bursche freuen!\nEs ist mir eine rechte Kunst,\nDen armen Ratten Gift zu streuen!\n\nBRANDER:\nSie stehn wohl sehr in deiner Gunst?\n\nALTMAYER:\nDer Schmerbauch mit der kahlen Platte!\nDas Unglück macht ihn zahm und mild;\nEr sieht in der geschwollnen Ratte\nSein ganz natürlich Ebenbild\n(Faust und Mephistopheles treten auf.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch muß dich nun vor allen Dingen\nIn lustige Gesellschaft bringen,\nDamit du siehst, wie leicht sich's leben läßt.\nDem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.\nMit wenig Witz und viel Behagen\nDreht jeder sich im engen Zirkeltanz,\nWie junge Katzen mit dem Schwanz.\nWenn sie nicht über Kopfweh klagen,\nSo lang der Wirt nur weiter borgt,\nSind sie vergnügt und unbesorgt.\n\nBRANDER:\nDie kommen eben von der Reise,\nMan sieht's an ihrer wunderlichen Weise;\nSie sind nicht eine Stunde hier.\n\nFROSCH:\nWahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!\nEs ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.\n\nSIEBEL:\nFür was siehst du die Fremden an?\n\nFROSCH:\nLaß mich nur gehn! Bei einem vollen Glase\nZieh ich, wie einen Kinderzahn,\nDen Burschen leicht die Würmer aus der Nase.\nSie scheinen mir aus einem edlen Haus,\nSie sehen stolz und unzufrieden aus.\n\nBRANDER:\nMarktschreier sind's gewiß, ich wette!\n\nALTMAYER:\nVielleicht.\n\nFROSCH:\nGib acht, ich schraube sie!\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nDen Teufel spürt das Völkchen nie,\nUnd wenn er sie beim Kragen hätte.\n\nFAUST:\nSeid uns gegrüßt, ihr Herrn!\n\nSIEBEL:\nViel Dank zum Gegengruß.\n(Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.)\nWas hinkt der Kerl auf einem Fuß?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIst es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?\nStatt eines guten Trunks, den man nicht haben kann\nSoll die Gesellschaft uns ergetzen.\n\nALTMAYER:\nIhr scheint ein sehr verwöhnter Mann.\n\nFROSCH:\nIhr seid wohl spät von Rippach aufgebrochen?\nHabt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?\n\nMEPHISTOPHELES:\nHeut sind wir ihn vorbeigereist!\nWir haben ihn das letztemal gesprochen.\nVon seinen Vettern wußt er viel zu sagen,\nViel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.\n(Er neigt sich gegen Frosch.)\n\nALTMAYER (leise):\nDa hast du's! der versteht's!\n\nSIEBEL:\nEin pfiffiger Patron!\n\nFROSCH:\nNun, warte nur, ich krieg ihn schon!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWenn ich nicht irrte, hörten wir\nGeübte Stimmen Chorus singen?\nGewiß, Gesang muß trefflich hier\nVon dieser Wölbung widerklingen!\n\nFROSCH:\nSeid Ihr wohrgar ein Virtuos?\n\nMEPHISTOPHELES:\nO nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.\n\nALTMAYER:\nGebt uns ein Lied!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWenn ihr begehrt, die Menge.\n\nSIEBEL:\nNur auch ein nagelneues Stück!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWir kommen erst aus Spanien zurück,\nDem schönen Land des Weins und der Gesänge.\n(Singt).\nEs war einmal ein König,\nDer hatt einen großen Floh-\n\nFROSCH:\nHorcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefaßt?\nEin Floh ist mir ein saubrer Gast.\n\nMEPHISTOPHELES (singt):\nEs war einmal ein König\nDer hatt einen großen Floh,\nDen liebt, er gar nicht wenig,\nAls wie seinen eignen Sohn.\nDa rief er seinen Schneider,\nDer Schneider kam heran:\nDa, miß dem Junker Kleider\nUnd miß ihm Hosen an!\n\nBRANDER:\nVergeßt nur nicht, dem Schneider einzuschärfen,\nDaß er mir aufs genauste mißt,\nUnd daß, so lieb sein Kopf ihm ist,\nDie Hosen keine Falten werfen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIn Sammet und in Seide\nWar er nun angetan\nHatte Bänder auf dem Kleide,\nHatt auch ein Kreuz daran\nUnd war sogleich Minister,\nUnd hatt einen großen Stern.\nDa wurden seine Geschwister\nBei Hof auch große Herrn.\n\nUnd Herrn und Fraun am Hofe,\nDie waren sehr geplagt,\nDie Königin und die Zofe\nGestochen und genagt,\nUnd durften sie nicht knicken,\nUnd weg sie jucken nicht.\nWir knicken und ersticken\nDoch gleich, wenn einer sticht.\n\nCHORUS (jauchzend):\nWir knicken und ersticken\nDoch gleich, wenn einer sticht.\n\nFROSCH:\nBravo! Bravo! Das war schön!\n\nSIEBEL:\nSo soll es jedem Floh ergehn!\n\nBRANDER:\nSpitzt die Finger und packt sie fein!\n\nALTMAYER:\nEs lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,\nWenn eure Weine nur ein bißchen besser wären.\n\nSIEBEL:\nWir mögen das nicht wieder hören!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch fürchte nur, der Wirt beschweret sich;\nSonst gäb ich diesen werten Gästen\nAus unserm Keller was zum besten.\n\nSIEBEL:\nNur immer her! ich nehm's auf mich.\n\nFROSCH:\nSchafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.\nNur gebt nicht gar zu kleine Proben\nDenn wenn ich judizieren soll,\nVerlang ich auch das Maul recht voll.\n\nALTMAYER (leise):\nSie sind vom Rheine, wie ich spüre.\n\nMEPHISTOPHELES:\nSchafft einen Bohrer an!\n\nBRANDER:\nWas soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Türe?\n\nALTMAYER:\nDahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug stehn.\n\nMEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch):\nNun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?\n\nFROSCH:\nWie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch stell es einem jeden frei.\n\nALTMAYER (zu Frosch):\nAha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.\n\nFROSCH:\nGut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.\nDas Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.\n\nMEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den\nTischrand bohrt):\nVerschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!\n\nALTMAYER:\nAch, das sind Taschenspielersachen.\n\nMEPHISTOPHELES (zu Brander):\nUnd Ihr?\n\nBRANDER:\nIch will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!\n(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht\nund verstopft.)\nMan kann nicht stets das Fremde meiden\nDas Gute liegt uns oft so fern.\nEin echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,\nDoch ihre Weine trinkt er gern.\n\nSIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert):\nIch muß gestehn, den sauern mag ich nicht,\nGebt mir ein Glas vom echten süßen!\n\nMEPHISTOPHELES (bohrt):\nEuch soll sogleich Tokayer fließen.\n\nALTMAYER:\nNein, Herren, seht mir ins Gesicht!\nIch seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEi! Ei! Mit solchen edlen Gästen\nWär es ein bißchen viel gewagt.\nGeschwind! Nur grad heraus gesagt!\nMit welchem Weine kann ich dienen?\n\nALTMAYER:\nMit jedem! Nur nicht lang gefragt.\n(Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind.)\n\nMEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebärden):\nTrauben trägt der Weinstock!\nHörner der Ziegenbock;\nDer Wein ist saftig, Holz die Reben,\nDer hölzerne Tisch kann Wein auch geben.\nEin tiefer Blick in die Natur!\nHier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und genießt!\n\nALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas\nläuft):\nO schöner Brunnen, der uns fließt!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!\n(Sie trinken wiederholt.)\n\nALLE (singen):\nUns ist ganz kannibalisch wohl,\nAls wie fünfhundert Säuen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!\n\nFAUST:\nIch hätte Lust, nun abzufahren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGib nur erst acht, die Bestialität\nWird sich gar herrlich offenbaren.\n\nSIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde und wird zur\nFlamme):\nHelft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!\n\nMEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend):\nSei ruhig, freundlich Element!\n(Zu den Gesellen.)\nFür diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.\n\nSIEBEL:\nWas soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!\nEs scheinet, daß Ihr uns nicht kennt.\n\nFROSCH:\nLaß Er uns das zum zweiten Male bleiben!\n\nALTMAYER:\nIch dächt, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn.\n\nSIEBEL:\nWas, Herr? Er will sich unterstehn,\nUnd hier sein Hokuspokus treiben?\n\nMEPHISTOPHELES:\nStill, altes Weinfaß!\n\nSIEBEL:\nBesenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen?\n\nBRANDER:\nWart nur, es sollen Schläge regnen!\n\nALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen):\n\nIch brenne! ich brenne!\nStoßt zu! der Kerl ist vogelfrei!\n(Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.)\n\nMEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebärde):\nFalsch Gebild und Wort\nVerändern Sinn und Ort!\nSeid hier und dort!\n(Sie stehn erstaunt und sehn einander an.)\n\nALTMAYER:\nWo bin ich? Welches schöne Land!\n\nFROSCH:\nWeinberge! Seh ich recht?\n\nSIEBEL:\nUnd Trauben gleich zur Hand!\n\nBRANDER:\nHier unter diesem grünen Laube,\nSeht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!\n(Er faßt Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben\ndie Messer.)\n\nMEPHISTOPHELES (wie oben):\nIrrtum, laß los der Augen Band!\nUnd merkt euch, wie der Teufel spaße.\n(Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander.\n\nSIEBEL:\nWas gibt s?\n\nALTMAYER:\nWie?\n\nFROSCH:\nWar das deine Nase?\n\nBRANDER (zu Siebel):\nUnd deine hab ich in der Hand!\n\nALTMAYER:\nEs war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!\nSchafft einen Stuhl, ich sinke nieder!\n\nFROSCH:\nNein, sagt mir nur, was ist geschehn?\n\nFROSCH:\nWo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,\nEr soll mir nicht lebendig gehn!\n\nALTMAYER:\nIch hab ihn selbst hinaus zur Kellertüre-\nAuf einem Fasse reiten sehn--\nEs liegt mir bleischwer in den Füßen.\n(Sich nach dem Tische wendend.)\nMein! Sollte wohl der Wein noch fließen?\n\nSIEBEL:\nBetrug war alles, Lug und Schein.\n\nFROSCH:\nMir deuchte doch, als tränk ich Wein.\n\nBRANDER:\nAber wie war es mit den Trauben?\n\nALTMAYER:\nNun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!\n\nHexenküche.\n\nAuf einem niedrigen Herd steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem\nDampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten.\nEine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schäumt ihn und sorgt, daß er nicht\nüberläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich.\nWände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmückt.\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nFAUST:\nMir widersteht das tolle Zauberwesen!\nVersprichst du mir, ich soll genesen\nIn diesem Wust von Raserei?\nVerlang ich Rat von einem alten Weibe?\nUnd schafft die Sudelköcherei\nWohl dreißig Jahre mir vom Leibe?\nWeh mir, wenn du nichts Bessers weißt!\nSchon ist die Hoffnung mir verschwunden.\nHat die Natur und hat ein edler Geist\nNicht irgendeinen Balsam ausgefunden?\n\nMEPHISTOPHELES:\nMein Freund, nun sprichst du wieder klug!\nDich zu verjüngen, gibt's auch ein natürlich Mittel;\nAllein es steht in einem andern Buch,\nUnd ist ein wunderlich Kapitel.\n\nFAUST:\nIch will es wissen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu haben:\nBegib dich gleich hinaus aufs Feld,\nFang an zu hacken und zu graben\nErhalte dich und deinen Sinn\nIn einem ganz beschränkten Kreise,\nErnähre dich mit ungemischter Speise,\nLeb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub,\nDen Acker, den du erntest, selbst zu düngen;\nDas ist das beste Mittel, glaub,\nAuf achtzig Jahr dich zu verjüngen!\n\nFAUST:\nDas bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen,\nDen Spaten in die Hand zu nehmen.\nDas enge Leben steht mir gar nicht an.\n\nMEPHISTOPHELES:\nSo muß denn doch die Hexe dran.\n\nFAUST:\nWarum denn just das alte Weib!\nKannst du den Trank nicht selber brauen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas wär ein schöner Zeitvertreib!\nIch wollt indes wohl tausend Brücken bauen.\nNicht Kunst und Wissenschaft allein,\nGeduld will bei dem Werke sein.\nEin stiller Geist ist jahrelang geschäftig,\nDie Zeit nur macht die feine Gärung kräftig.\nUnd alles, was dazu gehört,\nEs sind gar wunderbare Sachen!\nDer Teufel hat sie's zwar gelehrt;\nAllein der Teufel kann's nicht machen.\n(Die Tiere erblickend.)\nSieh, welch ein zierliches Geschlecht!\nDas ist die Magd! das ist der Knecht!\n(Zu den Tieren.)\nEs scheint, die Frau ist nicht zu Hause?\n\nDIE TIERE:\nBeim Schmause,\nAus dem Haus\nZum Schornstein hinaus!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?\n\nDIE TIERE:\nSo lange wir uns die Pfoten wärmen.\n\nMEPHISTOPHELES. (zu Faust):\nWie findest du die zarten Tiere?\n\nFAUST:\nSo abgeschmackt, als ich nur jemand sah!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNein, ein Discours wie dieser da\nIst grade der, den ich am liebsten führe!\n(zu den Tieren.)\nSo sagt mir doch, verfluchte Puppen,\nWas quirlt ihr in dem Brei herum?\n\nDIE TIERE:\nWir kochen breite Bettelsuppen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa habt ihr ein groß Publikum.\n\nDER KATER (macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles):\nO würfle nur gleich,\nUnd mache mich reich,\nUnd laß mich gewinnen!\nGar schlecht ist's bestellt,\nUnd wär ich bei Geld,\nSo wär ich bei Sinnen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWie glücklich würde sich der Affe schätzen,\nKönnt er nur auch ins Lotto setzen!\n(Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und\nrollen sie hervor.)\n\nDER KATER:\nDas ist die Welt;\nSie steigt und fällt\nUnd rollt beständig;\nSie klingt wie Glas-\nWie bald bricht das!\nIst hohl inwendig.\nHier glänzt sie sehr,\nUnd hier noch mehr:\n\"Ich bin lebendig!\"\nMein lieber Sohn,\nHalt dich davon!\nDu mußt sterben!\nSie ist von Ton,\nEs gibt Scherben.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas soll das Sieb?\n\nDER KATER (holt es herunter):\nWärst du ein Dieb,\nWollt ich dich gleich erkennen.\n(Er lauft zur Kätzin und läßt sie durchsehen.)\nSieh durch das Sieb!\nErkennst du den Dieb,\nUnd darfst ihn nicht nennen?\n\nMEPHISTOPHELES (sich dem Feuer nähernd):\nUnd dieser Topf?\n\nKATER UND KäTZIN:\nDer alberne Tropf!\nEr kennt nicht den Topf,\nEr kennt nicht den Kessel!\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnhöfliches Tier!\n\nDER KATER:\nDen Wedel nimm hier,\nUnd setz dich in Sessel!\n(Er nötigt den Mephistopheles zu sitzen.)\n\nFAUST (welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald\ngenähert, bald sich von ihm entfernt hat):\nWas seh ich? Welch ein himmlisch Bild\nZeigt sich in diesem Zauberspiegel!\nO Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,\nUnd führe mich in ihr Gefild!\nAch wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,\nWenn ich es wage, nah zu gehn,\nKann ich sie nur als wie im Nebel sehn!-\nDas schönste Bild von einem Weibe!\nIst's möglich, ist das Weib so schön?\nMuß ich an diesem hingestreckten Leibe\nDen Inbegriff von allen Himmeln sehn?\nSo etwas findet sich auf Erden?\n\nMEPHISTOPHELES:\nNatürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,\nUnd selbst am Ende Bravo sagt,\nDa muß es was Gescheites werden.\nFür diesmal sieh dich immer satt;\nIch weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,\nUnd selig, wer das gute Schicksal hat,\nAls Bräutigam sie heim zu führen!\n(Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel\ndehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.)\n\nHier sitz ich wie der König auf dem Throne,\nDen Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone.\n\nDIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander\ngemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei):\nO sei doch so gut,\nMit Schweiß und mit Blut\nDie Krone zu leimen!\n(Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke,\nmit welchen sie herumspringen.)\n\nNun ist es geschehn!\nWir reden und sehn,\nWir hören und reimen-\n\nFAUST (gegen den Spiegel):\nWeh mir! ich werde schier verrückt.\n\nMEPHISTOPHELES (auf die Tiere deutend):\nNun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.\n\nDIE TIERE:\nUnd wenn es uns glückt,\nUnd wenn es sich schickt,\nSo sind es Gedanken!\n\nFAUST (wie oben):\nMein Busen fängt mir an zu brennen!\nEntfernen wir uns nur geschwind!\n\nMEPHISTOPHELES (in obiger Stellung):\nNun, wenigstens muß man bekennen,\nDaß es aufrichtige Poeten sind.\n(Der Kessel, welchen die Katzin bisher außer acht gelassen, fängt an\nüberzulaufen, es entsteht eine große Flamme, welche zum Schornstein hinaus\nschlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei\nherunter gefahren.)\n\nDIE HEXE:\nAu! Au! Au! Au!\nVerdammtes Tier! verfluchte Sau!\nVersäumst den Kessel, versengst die Frau!\nVerfluchtes Tier!\n(Faust und Mephistopheles erblickend.)\nWas ist das hier?\nWer seid ihr hier?\nWas wollt ihr da?\nWer schlich sich ein?\nDie Feuerpein\nEuch ins Gebein!\n(Sie fahrt mit dem Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach\nFaust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.)\n\nMEPHISTOPHELES (welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt und\nunter die Gläser und Töpfe schlägt):\nEntzwei! entzwei!\nDa liegt der Brei!\nDa liegt das Glas!\nEs ist nur Spaß,\nDer Takt, du Aas,\nZu deiner Melodei.\n(Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt.)\nErkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!\nErkennst du deinen Herrn und Meister?\nWas hält mich ab, so schlag ich zu,\nZerschmettre dich und deine Katzengeister!\nHast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?\nKannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?\nHab ich dies Angesicht versteckt?\nSoll ich mich etwa selber nennen?\n\nDIE HEXE:\nO Herr, verzeiht den rohen Gruß!\nSeh ich doch keinen Pferdefuß.\nWo sind denn Eure beiden Raben?\n\nMEPHISTOPHELES:\nFür diesmal kommst du so davon;\nDenn freilich ist es eine Weile schon,\nDaß wir uns nicht gesehen haben.\nAuch die Kultur, die alle Welt beleckt,\nHat auf den Teufel sich erstreckt;\nDas nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;\nWo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?\nUnd was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,\nDer würde mir bei Leuten schaden;\nDarum bedien ich mich, wie mancher junge Mann,\nSeit vielen Jahren falscher Waden.\n\nDIE HEXE (tanzend):\nSinn und Verstand verlier ich schier,\nSeh ich den Junker Satan wieder hier!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDen Namen, Weib, verbitt ich mir!\n\nDIE HEXE:\nWarum? Was hat er Euch getan?\n\nMEPHISTOPHELES:\nEr ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;\nAllein die Menschen sind nichts besser dran,\nDen Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.\nDu nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;\nIch bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.\nDu zweifelst nicht an meinem edlen Blut;\nSieh her, das ist das Wappen, das ich führe!\n(Er macht eine unanständige Gebärde.)\n\nDIE HEXE (lacht unmäßig):\nHa! Ha! Das ist in Eurer Art!\nIhr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nMein Freund, das lerne wohl verstehn!\nDies ist die Art, mit Hexen umzugehn.\n\nDIE HEXE:\nNun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEin gutes Glas von dem bekannten Saft!\nDoch muß ich Euch ums ältste bitten;\nDie Jahre doppeln seine Kraft.\n\nDIE HEXE:\nGar gern! Hier hab ich eine Flasche,\nAus der ich selbst zuweilen nasche,\nDie auch nicht mehr im mindsten stinkt;\nIch will euch gern ein Gläschen geben.\n(Leise.)\nDoch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt\nSo kann er, wißt Ihr wohl, nicht eine Stunde leben.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEs ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;\nIch gönn ihm gern das Beste deiner Küche.\nZieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,\nUnd gib ihm eine Tasse voll!\n(Die Hexe, mit seltsamen Gebärden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare\nSachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu\ntönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die\nMeerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten\nmüssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.)\n\nFAUST (zu Mephistopheles):\nNein, sage mir, was soll das werden?\nDas tolle Zeug, die rasenden Gebärden,\nDer abgeschmackteste Betrug,\nSind mir bekannt, verhaßt genug.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEi Possen! Das ist nur zum Lachen;\nSei nur nicht ein so strenger Mann!\nSie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,\nDamit der Saft dir wohl gedeihen kann.\n(Er nötigt Fausten, in den Kreis zu treten.)\n\nDIE HEXE (mit großer Emphase fängt an, aus dem Buche zu deklamieren):\nDu mußt verstehn!\nAus Eins mach Zehn,\nUnd Zwei laß gehn,\nUnd Drei mach gleich,\nSo bist du reich.\nVerlier die Vier!\nAus Fünf und Sechs,\nSo sagt die Hex,\nMach Sieben und Acht,\nSo ist's vollbracht:\nUnd Neun ist Eins,\nUnd Zehn ist keins.\nDas ist das Hexen-Einmaleins!\n\nFAUST:\nMich dünkt, die Alte spricht im Fieber.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas ist noch lange nicht vorüber,\nIch kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;\nIch habe manche Zeit damit verloren,\nDenn ein vollkommner Widerspruch\nBleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.\nMein Freund, die Kunst ist alt und neu.\nEs war die Art zu allen Zeiten,\nDurch Drei und Eins, und Eins und Drei\nIrrtum statt Wahrheit zu verbreiten.\nSo schwätzt und lehrt man ungestört;\nWer will sich mit den Narrn befassen?\nGewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,\nEs müsse sich dabei doch auch was denken lassen.\n\nDIE HEXE (fährt fort):\nDie hohe Kraft\nDer Wissenschaft,\nDer ganzen Welt verborgen!\nUnd wer nicht denkt,\nDem wird sie geschenkt,\nEr hat sie ohne Sorgen.\n\nFAUST:\nWas sagt sie uns für Unsinn vor?\nEs wird mir gleich der Kopf zerbrechen.\nMich dünkt, ich hör ein ganzes Chor\nVon hunderttausend Narren sprechen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGenug, genug, o treffliche Sibylle!\nGib deinen Trank herbei, und fülle\nDie Schale rasch bis an den Rand hinan;\nDenn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:\nEr ist ein Mann von vielen Graden,\nDer manchen guten Schluck getan.\n(Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale,\nwie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.)\n\nNur frisch hinunter! Immer zu!\nEs wird dir gleich das Herz erfreuen.\nBist mit dem Teufel du und du,\nUnd willst dich vor der Flamme scheuen?\n(Die Hexe löst den Kreis. Faust tritt heraus.)\n\nNun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.\n\nDIE HEXE:\nMög Euch das Schlückchen wohl behagen!\n\nMEPHISTOPHELES (zur Hexe):\nUnd kann ich dir was zu Gefallen tun,\nSo darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.\n\nDIE HEXE:\nHier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt,\nSo werdet Ihr besondre Wirkung spüren.\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nKomm nur geschwind und laß dich führen;\nDu mußt notwendig transpirieren,\nDamit die Kraft durch Inn- und Äußres dringt.\nDen edlen Müßiggang lehr ich hernach dich schätzen,\nUnd bald empfindest du mit innigem Ergetzen,\nWie sich Cupido regt und hin und wider springt.\n\nFAUST:\nLaß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!\nDas Frauenbild war gar zu schön!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen\nNun bald leibhaftig vor dir sehn.\n(Leise.)\n\nDu siehst, mit diesem Trank im Leibe,\nBald Helenen in jedem Weibe.\n\nStraße (I)\n\nFaust. Margarete vorübergehend.\n\nFAUST:\nMein schönes Fräulein, darf ich wagen,\nMeinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?\n\nMARGARETE:\nBin weder Fräulein, weder schön,\nKann ungeleitet nach Hause gehn.\n(Sie macht sich los und ab.)\n\nFAUST:\nBeim Himmel, dieses Kind ist schön!\nSo etwas hab ich nie gesehn.\nSie ist so sitt- und tugendreich,\nUnd etwas schnippisch doch zugleich.\nDer Lippe Rot, der Wange Licht,\nDie Tage der Welt vergeß ich's nicht!\nWie sie die Augen niederschlägt,\nHat tief sich in mein Herz geprägt;\nWie sie kurz angebunden war,\nDas ist nun zum Entzücken gar!\n(Mephistopheles tritt auf.)\n\nFAUST:\nHör, du mußt mir die Dirne schaffen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNun, welche?\n\nFAUST:\nSie ging just vorbei.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa die? Sie kam von ihrem Pfaffen,\nDer sprach sie aller Sünden frei\nIch schlich mich hart am Stuhl vorbei,\nEs ist ein gar unschuldig Ding,\nDas eben für nichts zur Beichte ging;\nÜber die hab ich keine Gewalt!\n\nFAUST:\nIst über vierzehn Jahr doch alt.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu sprichst ja wie Hans Liederlich,\nDer begehrt jede liebe Blum für sich,\nUnd dünkelt ihm, es wär kein Ehr\nUnd Gunst, die nicht zu pflücken wär;\nGeht aber doch nicht immer an.\n\nFAUST:\nMein Herr Magister Lobesan,\nLaß Er mich mit dem Gesetz in Frieden!\nUnd das sag ich Ihm kurz und gut:\nWenn nicht das süße junge Blut\nHeut Nacht in meinen Armen ruht,\nSo sind wir um Mitternacht geschieden.\n\nMEPHISTOPHELES:\nBedenkt, was gehn und stehen mag!\nIch brauche wenigstens vierzehn Tag,\nNur die Gelegenheit auszuspüren.\n\nFAUST:\nHätt ich nur sieben Stunden Ruh,\nBrauchte den Teufel nicht dazu\nSo ein Geschöpfchen zu verführen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIhr sprecht schon fast wie ein Franzos;\nDoch bitt ich, laßt's Euch nicht verdrießen:\nWas hilft's, nur grade zu genießen?\nDie Freud ist lange nicht so groß,\nAls wenn Ihr erst herauf, herum\nDurch allerlei Brimborium,\nDas Püppchen geknetet und zugericht't\nWie's lehret manche welsche Geschicht.\n\nFAUST:\nHab Appetit auch ohne das.\n\nMEPHISTOPHELES:\nJetzt ohne Schimpf und ohne Spaß:\nIch sag Euch, mit dem schönen Kind\nGeht's ein für allemal nicht geschwind.\nMit Sturm ist da nichts einzunehmen;\nWir müssen uns zur List bequemen.\n\nFAUST:\nSchaff mir etwas vom Engelsschatz!\nFühr mich an ihren Ruheplatz!\nSchaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,\nEin Strumpfband meiner Liebeslust!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDamit Ihr seht, daß ich Eurer Pein\nWill förderlich und dienstlich sein'\nWollen wir keinen Augenblick verlieren,\nWill Euch noch heut in ihr Zimmer führen.\n\nFAUST:\nUnd soll sie sehn? sie haben?\n\nMEPHISTOPHELES:\nNein! Sie wird bei einer Nachbarin sein.\nIndessen könnt Ihr ganz allein\nAn aller Hoffnung künft'ger Freuden\nIn ihrem Dunstkreis satt Euch weiden.\n\nFAUST:\nKönnen wir hin?\n\nMEPHISTOPHELES:\nEs ist noch zu früh.\nFAUST:\nSorg du mir für ein Geschenk für sie!\n(Ab.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nGleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssieren!\nIch kenne manchen schönen Platz\nUnd manchen altvergrabnen Schatz;\nIch muß ein bißchen revidieren.\n(Ab.)\n\nAbend. Ein kleines reinliches Zimmer\n\nMargarete ihre Zöpfe flechtend und aufbindend.\n\nIch gäb was drum, wenn ich nur wüßt,\nWer heut der Herr gewesen ist!\nEr sah gewiß recht wacker aus\nUnd ist aus einem edlen Haus;\nDas konnt ich ihm an der Stirne lesen-\nEr wär auch sonst nicht so keck gewesen.\n(Ab.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nHerein, ganz leise, nur herein!\n\nFAUST (nach einigem Stillschweigen):\nIch bitte dich, laß mich allein!\n\nMEPHISTOPHELES (herumspürend):\nNicht jedes Mädchen hält so rein.\n(Ab.)\n\nFAUST (rings aufschauend):\nWillkommen, süßer Dämmerschein,\nDer du dies Heiligtum durchwebst!\nErgreif mein Herz, du süße Liebespein,\nDie du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!\nWie atmet rings Gefühl der Stille,\nDer Ordnung, der Zufriedenheit!\nIn dieser Armut welche Fülle!\nIn diesem Kerker welche Seligkeit!\n(Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.)\n\nO nimm mich auf, der du die Vorwelt schon\nBei Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen!\nWie oft, ach! hat an diesem Väterthron\nSchon eine Schar von Kindern rings gehangen!\nVielleicht hat, dankbar für den heil'gen Christ\nMein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,\nDem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.\nIch fühl o Mädchen, deinen Geist\nDer Füll und Ordnung um mich säuseln,\nDer mütterlich dich täglich unterweist\nDen Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt,\nSogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.\nO liebe Hand! so göttergleich!\nDie Hütte wird durch dich ein Himmelreich.\nUnd hier!\n(Er hebt einen Bettvorhang auf.)\n\nWas faßt mich für ein Wonnegraus! Hier möcht ich volle Stunden säumen.\nNatur, hier bildetest in leichten Träumen\nDen eingebornen Engel aus!\nHier lag das Kind! mit warmem Leben\nDen zarten Busen angefüllt,\nUnd hier mit heilig reinem Weben\nEntwirkte sich das Götterbild!\n\nUnd du! Was hat dich hergeführt?\nWie innig fühl ich mich gerührt!\nWas willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?\nArmsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.\n\nUmgibt mich hier ein Zauberduft?\nMich drang's, so grade zu genießen,\nUnd fühle mich in Liebestraum zerfließen!\nSind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?\n\nUnd träte sie den Augenblick herein,\nWie würdest du für deinen Frevel büßen!\nDer große Hans, ach wie so klein!\nLäg, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.\n\nMEPHISTOPHELES (kommt):\nGeschwind! ich seh sie unten kommen.\n\nFAUST:\nFort! Fort! Ich kehre nimmermehr!\n\nMEPHISTOPHELES:\nHier ist ein Kästchen leidlich schwer,\nIch hab's wo anders hergenommen.\nStellt's hier nur immer in den Schrein,\nIch schwör Euch, ihr vergehn die Sinnen;\nIch tat Euch Sächelchen hinein,\nUm eine andre zu gewinnen.\nZwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel.\n\nFAUST:\nIch weiß nicht, soll ich?\n\nMEPHISTOPHELES:\nFragt Ihr viel? Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren?\nDann rat ich Eurer Lüsternheit,\nDie liebe schöne Tageszeit\nUnd mir die weitre Müh zu sparen.\nIch hoff nicht, daß Ihr geizig seid!\nIch kratz den Kopf, reib an den Händen-\n(Er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.)\nNur fort! geschwind!\nUm Euch das süße junge Kind\nNach Herzens Wunsch und Will zu wenden;\nUnd Ihr seht drein\nAls solltet Ihr in den Hörsaal hinein,\nAls stünden grau leibhaftig vor Euch da\nPhysik und Metaphysika!\nNur fort!\n(Ab.)\n\nMargarete mit einer Lampe.\n\nEs ist so schwül, so dumpfig hie\n(sie macht das Fenster auf)\nUnd ist doch eben so warm nicht drauß.\nEs wird mir so, ich weiß nicht wie-\nIch wollt, die Mutter käm nach Haus.\nMir läuft ein Schauer übern ganzen Leib-\nBin doch ein töricht furchtsam Weib!\n(sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht.)\n\nEs war ein König in Thule\nGar treu bis an das Grab,\nDem sterbend seine Buhle\nEinen goldnen Becher gab.\n\nEs ging ihm nichts darüber,\nEr leert ihn jeden Schmaus;\nDie Augen gingen ihm über,\nSooft er trank daraus.\n\nUnd als er kam zu sterben,\nZählt er seine Städt im Reich,\nGönnt alles seinem Erben,\nDen Becher nicht zugleich.\n\nEr saß beim Königsmahle,\nDie Ritter um ihn her,\nAuf hohem Vätersaale,\nDort auf dem Schloß am Meer.\n\nDort stand der alte Zecher,\nTrank letzte Lebensglut\nUnd warf den heiligen Becher\nHinunter in die Flut.\n\nEr sah ihn stürzen, trinken\nUnd sinken tief ins Meer,\nDie Augen täten ihm sinken,\nTrank nie einen Tropfen mehr.\n\n(Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das\nSchmuckkästchen.)\n\nWie kommt das schöne Kästchen hier herein?\nIch schloß doch ganz gewiß den Schrein.\nEs ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein?\nVielleicht bracht's jemand als ein Pfand,\nUnd meine Mutter lieh darauf.\nDa hängt ein Schlüsselchen am Band\nIch denke wohl, ich mach es auf!\nWas ist das? Gott im Himmel! Schau,\nSo was hab ich mein Tage nicht gesehn!\nEin Schmuck! Mit dem könnt eine Edelfrau\nAm höchsten Feiertage gehn.\nWie sollte mir die Kette stehn?\nWem mag die Herrlichkeit gehören?\n\n(Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.)\n\nWenn nur die Ohrring meine wären!\nMan sieht doch gleich ganz anders drein.\nWas hilft euch Schönheit, junges Blut?\nDas ist wohl alles schön und gut,\nAllein man läßt's auch alles sein;\nMan lobt euch halb mit Erbarmen.\nNach Golde drängt,\nAm Golde hängt\nDoch alles. Ach wir Armen!\n\nSpaziergang\n\nFaust in Gedanken auf und ab gehend. Zu ihm Mephistopheles.\n\nMEPHISTOPHELES:\nBei aller verschmähten Liebe! Beim höllischen Elemente!\nIch wollt, ich wüßte was Ärgers, daß ich's fluchen könnte!\n\nFAUST:\nWas hast? was kneipt dich denn so sehr?\nSo kein Gesicht sah ich in meinem Leben!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch möcht mich gleich dem Teufel übergeben,\nWenn ich nur selbst kein Teufel wär!\n\nFAUST:\nHat sich dir was im Kopf verschoben?\nDich kleidet's wie ein Rasender zu toben!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDenkt nur, den Schmuck, für Gretchen angeschafft,\nDen hat ein Pfaff hinweggerafft!\nDie Mutter kriegt das Ding zu schauen\nGleich fängt's ihr heimlich an zu grauen,\nDie Frau hat gar einen feinen Geruch,\nSchnuffelt immer im Gebetbuch\nUnd riecht's einem jeden Möbel an,\nOb das Ding heilig ist oder profan;\nUnd an dem Schmuck da spürt, sie's klar,\nDaß dabei nicht viel Segen war.\n\"Mein Kind\", rief sie, \"ungerechtes Gut\nBefängt die Seele, zehrt auf das Blut.\nWollen's der Mutter Gottes weihen,\nWird uns mit Himmelsmanna erfreuen!\"\nMargretlein zog ein schiefes Maul,\nIst halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul,\nUnd wahrlich! gottlos ist nicht der,\nDer ihn so fein gebracht hierher.\nDie Mutter ließ einen Pfaffen kommen;\nDer hatte kaum den Spaß vernommen,\nLieß sich den Anblick wohl behagen.\nEr sprach: \"So ist man recht gesinnt!\nWer überwindet, der gewinnt.\nDie Kirche hat einen guten Magen,\nHat ganze Länder aufgefressen\nUnd doch noch nie sich übergessen;\nDie Kirch allein, meine lieben Frauen,\nKann ungerechtes Gut verdauen.\"\n\nFAUST:\nDas ist ein allgemeiner Brauch,\nEin Jud und König kann es auch.\n\nMEPHISTOPHELES:\nStrich drauf ein Spange, Kett und Ring',\nAls wären's eben Pfifferling',\nDankt' nicht weniger und nicht mehr,\nAls ob's ein Korb voll Nüsse wär,\nVersprach ihnen allen himmlischen Lohn-\nUnd sie waren sehr erbaut davon.\n\nFAUST:\nUnd Gretchen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nSitzt nun unruhvoll, Weiß weder, was sie will noch soll,\nDenkt ans Geschmeide Tag und Nacht,\nNoch mehr an den, der's ihr gebracht.\n\nFAUST:\nDes Liebchens Kummer tut mir leid.\nSchaff du ihr gleich ein neu Geschmeid!\nAm ersten war ja so nicht viel.\n\nMEPHISTOPHELES:\nO ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!\n\nFAUST:\nUnd mach, und richt's nach meinem Sinn,\nHäng dich an ihre Nachbarin!\nSei, Teufel, doch nur nicht wie Brei,\nUnd schaff einen neuen Schmuck herbei!\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa, gnäd'ger Herr, von Herzen gerne.\n(Faust ab.)\n\nSo ein verliebter Tor verpufft\nEuch Sonne, Mond und alle Sterne\nZum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.\n(Ab.)\n\nDer Nachbarin Haus\n\nMarthe allein.\n\nGott verzeih's meinem lieben Mann,\nEr hat an mir nicht wohl getan!\nGeht da stracks in die Welt hinein\nUnd läßt mich auf dem Stroh allein.\nTät ihn doch wahrlich nicht betrüben,\nTät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.\n(Sie weint.)\nVielleicht ist er gar tot!- O Pein!-\nHätt ich nur einen Totenschein!\n\n(Margarete kommt.)\n\nMARGARETE:\nFrau Marthe!\n\nMARTHE:\nGretelchen, was soll's?\n\nMARGARETE:\nFast sinken mir die Kniee nieder!\nDa find ich so ein Kästchen wieder\nIn meinem Schrein, von Ebenholz,\nUnd Sachen herrlich ganz und gar,\nWeit reicher, als das erste war.\n\nMARTHE:\nDas muß Sie nicht der Mutter sagen;\nTät's wieder gleich zur Beichte tragen.\n\nMARGARETE:\nAch seh Sie nur! ach schau Sie nur!\n\nMARTHE (putzt sie auf):\nO du glücksel'ge Kreatur!\n\nMARGARETE:\nDarf mich, leider, nicht auf der Gassen\nNoch in der Kirche mit sehen lassen.\n\nMARTHE:\nKomm du nur oft zu mir herüber,\nUnd leg den Schmuck hier heimlich an;\nSpazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,\nWir haben unsre Freude dran;\nUnd dann gibt's einen Anlaß, gibt's ein Fest,\nWo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt.\nEin Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;\nDie Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor.\n\nMARGARETE:\nWer konnte nur die beiden Kästchen bringen?\nEs geht nicht zu mit rechten Dingen!\n(Es klopft.)\n\nAch Gott! mag das meine Mutter sein?\n\nMARTHE (durchs Vorhängel guckend):\nEs ist ein fremder Herr- Herein!\n\n(Mephistopheles tritt auf.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nBin so frei, grad hereinzutreten,\nMuß bei den Frauen Verzeihn erbeten.\n(Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.)\n\nWollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!\n\nMARTHE:\nIch bin's, was hat der Herr zu sagen?\n\nMEPHISTOPHELES (leise zu ihr):\nIch kenne Sie jetzt, mir ist das genug;\nSie hat da gar vornehmen Besuch.\nVerzeiht die Freiheit, die ich genommen,\nWill Nachmittage wiederkommen.\n\nMARTHE (lacht):\nDenk, Kind, um alles in der Welt!\nDer Herr dich für ein Fräulein hält.\n\nMARGARETE:\nIch bin ein armes junges Blut;\nAch Gott! der Herr ist gar zu gut:\nSchmuck und Geschmeide sind nicht mein.\n\nMEPHISTOPHELES:\nAch, es ist nicht der Schmuck allein;\nSie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!\nWie freut mich's, daß ich bleiben darf.\n\nMARTHE:\nWas bringt Er denn? Verlange sehr-\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch wollt, ich hätt eine frohere Mär!-\nIch hoffe, Sie läßt mich's drum nicht büßen:\nIhr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.\n\nMARTHE:\nIst tot? das treue Herz! O weh!\nMein Mann ist tot! Ach ich vergeh!\n\nMARGARETE:\nAch! liebe Frau, verzweifelt nicht!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSo hört die traurige Geschicht!\n\nMARGARETE:\nIch möchte drum mein' Tag' nicht lieben,\nWürde mich Verlust zu Tode betrüben.\n\nMEPHISTOPHELES:\nFreud muß Leid, Leid muß Freude haben.\n\nMARTHE:\nErzählt mir seines Lebens Schluß!\n\nMEPHISTOPHELES:\nEr liegt in Padua begraben\nBeim heiligen Antonius\nAn einer wohlgeweihten Stätte\nZum ewig kühlen Ruhebette.\n\nMARTHE:\nHabt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa, eine Bitte, groß und schwer:\nLaß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!\nIm übrigen sind meine Taschen leer.\n\nMARTHE:\nWas! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?\nWas jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,\nZum Angedenken aufbewahrt,\nUnd lieber hungert, lieber bettelt!\n\nMEPHISTOPHELES:\nMadam, es tut mir herzlich leid;\nAllein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.\nAuch er bereute seine Fehler sehr,\nJa, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.\n\nMARGARETE:\nAch! daß die Menschen so unglücklich sind!\nGewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIhr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:\nIhr seid ein liebenswürdig Kind.\n\nMARGARETE:\nAch nein, das geht jetzt noch nicht an.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIst's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan.\n's ist eine der größten Himmelsgaben,\nSo ein lieb Ding im Arm zu haben.\n\nMARGARETE:\nDas ist des Landes nicht der Brauch.\n\nMEPHISTOPHELES:\nBrauch oder nicht! Es gibt sich auch.\n\nMARTHE:\nErzählt mir doch!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist,\nVon halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ\nUnd fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.\n\"Wie\", rief er, \"muß ich mich von Grund aus hassen,\nSo mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!\nAch, die Erinnrung tötet mich\nVergäb sie mir nur noch in diesem Leben!\"\n\nMARTHE (weinend):\nDer gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.\n\nMEPHISTOPHELES:\n\"Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich.\"\n\nMARTHE:\nDas lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nEr fabelte gewiß in letzten Zügen,\nWenn ich nur halb ein Kenner bin.\n\"Ich hatte\", sprach er, \"nicht zum Zeitvertreib zu gaffen\nErst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,\nUnd Brot im allerweitsten Sinn,\nUnd konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.\"\n\nMARTHE:\nHat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen,\nDer Plackerei bei Tag und Nacht!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht.\nEr sprach: \"Als ich nun weg von Malta ging\nDa betet ich für Frau und Kinder brünstig;\nUns war denn auch der Himmel günstig,\nDaß unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing,\nDas einen Schatz des großen Sultans führte.\nDa ward der Tapferkeit ihr Lohn,\nUnd ich empfing denn auch, wie sich's gebührte,\nMein wohlgemeßnes Teil davon.\"\n\nMARTHE:\nEi wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWer weiß, wo nun es die vier Winde haben.\nEin schönes Fräulein nahm sich seiner an,\nAls er in Napel fremd umherspazierte;\nSie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,\nDaß er's bis an sein selig Ende spürte.\n\nMARTHE:\nDer Schelm! der Dieb an seinen Kindern!\nAuch alles Elend, alle Not\nKonnt nicht sein schändlich Leben hindern!\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa seht! dafür ist er nun tot.\nWär ich nun jetzt an Eurem Platze,\nBetraurt ich ihn ein züchtig Jahr,\nVisierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.\n\nMARTHE:\nAch Gott! wie doch mein erster war,\nFind ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!\nEs konnte kaum ein herziger Närrchen sein.\nEr liebte nur das allzuviele Wandern\nUnd fremde Weiber und fremden Wein\nUnd das verfluchte Würfelspiel.\n\nMEPHISTOPHELES:\nNun, nun, so konnt es gehn und stehen,\nWenn er Euch ungefähr so viel\nVon seiner Seite nachgesehen.\nIch schwör Euch zu, mit dem Beding\nWechselt ich selbst mit Euch den Ring!\n\nMARTHE:\nO es beliebt dem Herrn zu scherzen!\n\nMEPHISTOPHELES (für sich):\nNun mach ich mich beizeiten fort!\nDie hielte wohl den Teufel selbst beim Wort.\n(Zu Gretchen.)\nWie steht es denn mit Ihrem Herzen?\n\nMARGARETE:\nWas meint der Herr damit?\n\nMEPHISTOPHELES (für sich):\nDu guts, unschuldigs Kind! (Laut.) Lebt wohl, ihr Fraun!\n\nMARGARETE:\nLebt wohl!\n\nMARTHE:\nO sagt mir doch geschwind! Ich möchte gern ein Zeugnis haben,\nWo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.\nIch bin von je der Ordnung Freund gewesen,\nMöcht, ihn auch tot im Wochenblättchen lesen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund\nWird allerwegs die Wahrheit kund;\nHabe noch gar einen feinen Gesellen,\nDen will ich Euch vor den Richter stellen.\nIch bring ihn her.\n\nMARTHE:\nO tut das ja!\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd hier die Jungfrau ist auch da?\nEin braver Knab! ist viel gereist,\nFräuleins alle Höflichkeit erweist.\n\nMARGARETE:\nMüßte vor dem Herren schamrot werden.\n\nMEPHISTOPHELES:\nVor keinem Könige der Erden.\n\nMARTHE:\nDa hinterm Haus in meinem Garten\nWollen wir der Herren heut abend warten.\n\nStraße (II)\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nFAUST:\nWie ist's? Will's fördern? Will's bald gehn?\n\nMEPHISTOPHELES:\nAh bravo! Find ich Euch in Feuer?\nIn kurzer Zeit ist Gretchen Euer.\nHeut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn:\nDas ist ein Weib wie auserlesen\nZum Kuppler- und Zigeunerwesen!\n\nFAUST:\nSo recht!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDoch wird auch was von uns begehrt.\n\nFAUST:\nEin Dienst ist wohl des andern wert.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWir legen nur ein gültig Zeugnis nieder,\nDaß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder\nIn Padua an heil'ger Stätte ruhn.\n\nFAUST:\nSehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun;\nBezeugt nur, ohne viel zu wissen.\n\nFAUST:\nWenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nO heil'ger Mann! Da wärt Ihr's nun!\nIst es das erstemal in eurem Leben,\nDaß Ihr falsch Zeugnis abgelegt?\nHabt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,\nVom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt,\nDefinitionen nicht mit großer Kraft gegeben?\nMit frecher Stirne, kühner Brust?\nUnd wollt Ihr recht ins Innre gehen,\nHabt Ihr davon, Ihr müßt es grad gestehen,\nSo viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewußt!\n\nFAUST:\nDu bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste.\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa, wenn man's nicht ein bißchen tiefer wüßte.\nDenn morgen wirst, in allen Ehren,\nDas arme Gretchen nicht betören\nUnd alle Seelenlieb ihr schwören?\n\nFAUST:\nUnd zwar von Herzen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGut und schön! Dann wird von ewiger Treu und Liebe,\nvon einzig überallmächt'gem Triebe-\nWird das auch so von Herzen gehn?\n\nFAUST:\nLaß das! Es wird!- Wenn ich empfinde,\nFür das Gefühl, für das Gewühl\nNach Namen suche, keinen finde,\nDann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,\nNach allen höchsten Worten greife,\nUnd diese Glut, von der ich brenne,\nUnendlich, ewig, ewig nenne,\nIst das ein teuflisch Lügenspiel?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch hab doch recht!\n\nFAUST:\nHör! merk dir dies- Ich bitte dich, und schone meine Lunge-:\nWer recht behalten will und hat nur eine Zunge,\nBehält's gewiß.\nUnd komm, ich hab des Schwätzens Überdruß,\nDenn du hast recht, vorzüglich weil ich muß.\n\nGarten\n\nMargarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.\n\nMARGARETE:\nIch fühl es wohl, daß mich der Herr nur schont,\nHerab sich läßt, mich zu beschämen.\nEin Reisender ist so gewohnt,\nAus Gütigkeit fürliebzunehmen;\nIch weiß zu gut, daß solch erfahrnen Mann\nMein arm Gespräch nicht unterhalten kann.\n\nFAUST:\nEin Blick von dir, ein Wort mehr unterhält\nAls alle Weisheit dieser Welt.\n(Er küßt ihre Hand.)\n\nMARGARETE:\nInkommodiert Euch nicht! Wie könnt Ihr sie nur küssen?\nSie ist so garstig, ist so rauh!\nWas hab ich nicht schon alles schaffen müssen!\nDie Mutter ist gar zu genau.\n(Gehn vorüber.)\n\nMARTHE:\nUnd Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?\n\nMEPHISTOPHELES:\nAch, daß Gewerb und Pflicht uns dazu treiben!\nMit wieviel Schmerz verläßt man manchen Ort\nUnd darf doch nun einmal nicht bleiben!\n\nMARTHE:\nIn raschen Jahren geht's wohl an\nSo um und um frei durch die Welt zu streifen;\nDoch kömmt die böse Zeit heran,\nUnd sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,\nDas hat noch keinem wohlgetan.\n\nMEPHISTOPHELES:\nMit Grausen seh ich das von weiten.\n\nMARTHE:\nDrum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten.\n(Gehn vorüber.)\n\nMARGARETE:\nJa, aus den Augen, aus dem Sinn!\nDie Höflichkeit ist Euch geläufig;\nAllein Ihr habt der Freunde häufig,\nSie sind verständiger, als ich bin.\n\nFAUST:\nO Beste! glaube, was man so verständig nennt,\nIst oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.\n\nMARGARETE:\nWie?\n\nFAUST:\nAch, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie\nSich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt!\nDaß Demut Niedrigkeit, die höchsten Gaben\nDer liebevoll austeilenden Natur-\n\nMARGARETE:\nDenkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,\nIch werde Zeit genug an Euch zu denken haben.\n\nFAUST:\nIhr seid wohl viel allein?\n\nMARGARETE:\nJa, unsre Wirtschaft ist nur klein,\nUnd doch will sie versehen sein.\nWir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken\nUnd nähn und laufen früh und spat;\nUnd meine Mutter ist in allen Stücken\nSo akkurat!\nNicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;\nWir könnten uns weit eh'r als andre regen:\nMein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,\nEin Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.\nDoch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage:\nMein Bruder ist Soldat,\nMein Schwesterchen ist tot.\nIch hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;\nDoch übernähm ich gern noch einmal alle Plage,\nSo lieb war mir das Kind.\n\nFAUST:\nEin Engel, wenn dir's glich.\n\nMARGARETE:\nIch zog es auf, und herzlich liebt es mich.\nEs war nach meines Vaters Tod geboren.\nDie Mutter gaben wir verloren,\nSo elend wie sie damals lag,\nUnd sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.\nDa konnte sie nun nicht dran denken,\nDas arme Würmchen selbst zu tränken,\nUnd so erzog ich's ganz allein,\nMit Milch und Wasser, so ward's mein\nAuf meinem Arm, in meinem Schoß\nWar's freundlich, zappelte, ward groß.\n\nFAUST:\nDu hast gewiß das reinste Glück empfunden.\n\nMARGARETE:\nDoch auch gewiß gar manche schwere Stunden.\nDes Kleinen Wiege stand zu Nacht\nAn meinem Bett; es durfte kaum sich regen,\nWar ich erwacht;\nBald mußt ich's tränken, bald es zu mir legen\nBald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn\nUnd tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,\nUnd früh am Tage schon am Waschtrog stehn;\nDann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,\nUnd immer fort wie heut so morgen.\nDa geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu;\nDoch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.\n(Gehn vorüber.)\n\nMARTHE:\nDie armen Weiber sind doch übel dran:\nEin Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEs käme nur auf Euresgleichen an,\nMich eines Bessern zu belehren.\n\nMARTHE:\nSagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?\nHat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,\nEin braves Weib sind Gold und Perlen wert.\n\nMARTHE:\nIch meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nMan hat mich überall recht höflich aufgenommen.\n\nMARTHE:\nIch wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nMit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.\n\nMARTHE:\nAch, Ihr versteht mich nicht!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas tut mir herzlich leid! Doch ich versteh- daß Ihr sehr gütig seid.\n(Gehn vorüber.)\n\nFAUST:\nDu kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,\nGleich als ich in den Garten kam?\n\nMARGARETE:\nSaht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.\n\nFAUST:\nUnd du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?\nWas sich die Frechheit unterfangen,\nAls du jüngst aus dem Dom gegangen?\n\nMARGARETE:\nIch war bestürzt, mir war das nie geschehn;\nEs konnte niemand von mir Übels sagen.\nAch, dacht ich, hat er in deinem Betragen\nWas Freches, Unanständiges gesehn?\nEs schien ihn gleich nur anzuwandeln,\nMit dieser Dirne gradehin zu handeln.\nGesteh ich's doch! Ich wußte nicht, was sich\nZu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;\nAllein gewiß, ich war recht bös auf mich,\nDaß ich auf Euch nicht böser werden konnte.\n\nFAUST:\nSüß Liebchen!\n\nMARGARETE:\nLaßt einmal!\n(Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem\nandern.)\n\nFAUST:\nWas soll das? Einen Strauß?\n\nMARGARETE:\nNein, es soll nur ein Spiel.\n\nFAUST:\nWie?\n\nMARGARETE:\nGeht! Ihr lacht mich aus.\n(Sie rupft und murmelt.)\n\nFAUST:\nWas murmelst du?\n\nMARGARETE (halblaut):\nEr liebt mich- liebt mich nicht.\nFAUST:\nDu holdes Himmelsangesicht!\n\nMARGARETE (fährt fort):\nLiebt mich- nicht- liebt mich- nicht-\n(Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.)\nEr liebt mich!\n\nFAUST:\nJa, mein Kind! Laß dieses Blumenwort Dir Götterausspruch sein. Er liebt\ndich!\nVerstehst du, was das heißt? Er liebt dich!\n(Er faßt ihre beiden Hände.)\n\nMARGARETE:\nMich überläuft's!\n\nFAUST:\nO schaudre nicht! Laß diesen Blick,\nLaß diesen Händedruck dir sagen\nWas unaussprechlich ist:\nSich hinzugeben ganz und eine Wonne\nZu fühlen, die ewig sein muß!\nEwig!- Ihr Ende würde Verzweiflung sein\nNein, kein Ende! Kein Ende!\n(Margarete drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht\neinen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.)\n\nMARTHE (kommend):\nDie Nacht bricht an.\n\nMEPHISTOPHELES:\nJa, und wir wollen fort.\n\nMARTHE:\nIch bät Euch, länger hier zu bleiben,\nAllein es ist ein gar zu böser Ort.\nEs ist, als hätte niemand nichts zu treiben\nUnd nichts zu schaffen,\nAls auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,\nUnd man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.\nUnd unser Pärchen?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIst den Gang dort aufgeflogen. Mutwill'ge Sommervögel!\n\nMARTHE:\nEr scheint ihr gewogen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.\n\nEin Gartenhäuschen\n\nMargarete springt herein, steckt sich hinter die Tür, hält die Fingerspitze\nan die Lippen und guckt durch die Ritze.\n\nMARGARETE:\nEr kommt!\n\nFAUST (kommt):\nAch, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich!\n(Er küßt sie.)\n\nMARGARETE (ihn fassend und den Kuß zurückgebend):\nBester Mann! von Herzen lieb ich dich!\n(Mephistopheles klopft an.)\n\nFAUST (stampfend):\nWer da?\n\nMEPHISTOPHELES:\nGut Freund!\n\nFAUST:\nEin Tier!\n\nMEPHISTOPHELES:\nEs ist wohl Zeit zu scheiden.\n\nMARTHE (kommt):\nJa, es ist spät, mein Herr.\n\nFAUST:\nDarf ich Euch nicht geleiten?\n\nMARGARETE:\nDie Mutter würde mich- Lebt wohl!\n\nFAUST:\nMuß ich denn gehn? Lebt wohl!\n\nMARTHE:\nAde!\n\nMARGARETE:\nAuf baldig Wiedersehn!\n(Faust und Mephistopheles ab.)\n\nMARGARETE:\nDu lieber Gott! was so ein Mann\nNicht alles, alles denken kann!\nBeschämt nur steh ich vor ihm da\nUnd sag zu allen Sachen ja.\nBin doch ein arm unwissend Kind,\nBegreife nicht, was er an mir findt.\n(Ab.)\n\nWald und Höhle\n\nFaust allein.\n\nErhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,\nWarum ich bat. Du hast mir nicht umsonst\nDein Angesicht im Feuer zugewendet.\nGabst mir die herrliche Natur zum Königreich,\nKraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht\nKalt staunenden Besuch erlaubst du nur,\nVergönnest mir, in ihre tiefe Brust\nWie in den Busen eines Freunds zu schauen.\nDu führst die Reihe der Lebendigen\nVor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder\nIm stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.\nUnd wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,\nDie Riesenfichte stürzend Nachbaräste\nUnd Nachbarstämme quetschend niederstreift\nUnd ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,\nDann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst\nMich dann mir selbst, und meiner eignen Brust\nGeheime tiefe Wunder öffnen sich.\nUnd steigt vor meinem Blick der reine Mond\nBesänftigend herüber, schweben mir\nVon Felsenwänden, aus dem feuchten Busch\nDer Vorwelt silberne Gestalten auf\nUnd lindern der Betrachtung strenge Lust.\n\nO daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,\nEmpfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,\nDie mich den Göttern nah und näher bringt,\nMir den Gefährten, den ich schon nicht mehr\nEntbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,\nMich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,\nMit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.\nEr facht in meiner Brust ein wildes Feuer\nNach jenem schönen Bild geschäftig an.\nSo tauml ich von Begierde zu Genuß,\nUnd im Genuß verschmacht ich nach Begierde.\n(Mephistopheles tritt auf.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nHabt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?\nWie kann's Euch in die Länge freuen?\nEs ist wohl gut, daß man's einmal probiert\nDann aber wieder zu was Neuen!\n\nFAUST:\nIch wollt, du hättest mehr zu tun,\nAls mich am guten Tag zu plagen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nNun, nun! ich laß dich gerne ruhn,\nDu darfst mir's nicht im Ernste sagen.\nAn dir Gesellen, unhold, barsch und toll,\nIst wahrlich wenig zu verlieren.\nDen ganzen Tag hat man die Hände voll!\nWas ihm gefällt und was man lassen soll,\nKann man dem Herrn nie an der Nase spüren.\n\nFAUST:\nDas ist so just der rechte Ton!\nEr will noch Dank, daß er mich ennuyiert.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWie hättst du, armer Erdensohn\nDein Leben ohne mich geführt?\nVom Kribskrabs der Imagination\nHab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;\nUnd wär ich nicht, so wärst du schon\nVon diesem Erdball abspaziert.\nWas hast du da in Höhlen, Felsenritzen\nDich wie ein Schuhu zu versitzen?\nWas schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein\nWie eine Kröte Nahrung ein?\nEin schöner, süßer Zeitvertreib!\nDir steckt der Doktor noch im Leib.\n\nFAUST:\nVerstehst du, was für neue Lebenskraft\nMir dieser Wandel in der Öde schafft?\nJa, würdest du es ahnen können,\nDu wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEin überirdisches Vergnügen.\nIn Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen\nUnd Erd und Himmel wonniglich umfassen,\nZu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,\nDer Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,\nAlle sechs Tagewerk im Busen fühlen,\nIn stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,\nBald liebewonniglich in alles überfließen,\nVerschwunden ganz der Erdensohn,\nUnd dann die hohe Intuition-\n(mit einer Gebärde)\nIch darf nicht sagen, wie- zu schließen.\n\nFAUST:\nPfui über dich!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.\nMan darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,\nWas keusche Herzen nicht entbehren können.\nUnd kurz und gut, ich gönn Ihm das Vergnügen,\nGelegentlich sich etwas vorzulügen;\nDoch lange hält Er das nicht aus.\nDu bist schon wieder abgetrieben\nUnd, währt es länger, aufgerieben\nIn Tollheit oder Angst und Graus.\nGenug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,\nUnd alles wird ihr eng und trüb.\nDu kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,\nSie hat dich übermächtig lieb.\nErst kam deine Liebeswut übergeflossen,\nWie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;\nDu hast sie ihr ins Herz gegossen,\nNun ist dein Bächlein wieder seicht.\nMich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,\nLieß' es dem großen Herren gut,\nDas arme affenjunge Blut\nFür seine Liebe zu belohnen.\nDie Zeit wird ihr erbärmlich lang;\nSie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn\nÜber die alte Stadtmauer hin.\n\"Wenn ich ein Vöglein wär!\" so geht ihr Gesang\nTage lang, halbe Nächte lang.\nEinmal ist sie munter, meist betrübt,\nEinmal recht ausgeweint,\nDann wieder ruhig, wie's scheint,\nUnd immer verliebt.\n\nFAUST:\nSchlange! Schlange!\n\nMEPHISTOPHELES (für sich):\nGelt! daß ich dich fange!\n\nFAUST:\nVerruchter! hebe dich von hinnen,\nUnd nenne nicht das schöne Weib!\nBring die Begier zu ihrem süßen Leib\nNicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,\nUnd halb und halb bist du es schon.\n\nFAUST:\nIch bin ihr nah, und wär ich noch so fern,\nIch kann sie nie vergessen, nie verlieren\nJa, ich beneide schon den Leib des Herrn,\nWenn ihre Lippen ihn indes berühren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nGar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet\nUms Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.\n\nFAUST:\nEntfliehe, Kuppler!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSchön! Ihr schimpft, und ich muß lachen. Der Gott, der Bub' und Mädchen\nschuf,\nErkannte gleich den edelsten Beruf,\nAuch selbst Gelegenheit zu machen.\nNur fort, es ist ein großer Jammer!\nIhr sollt in Eures Liebchens Kammer,\nNicht etwa in den Tod.\n\nFAUST:\nWas ist die Himmelsfreud in ihren Armen?\nLaß mich an ihrer Brust erwarmen!\nFühl ich nicht immer ihre Not?\nBin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste?\nDer Unmensch ohne Zweck und Ruh,\nDer wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,\nBegierig wütend nach dem Abgrund zu?\nUnd seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,\nIm Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,\nUnd all ihr häusliches Beginnen\nUmfangen in der kleinen Welt.\nUnd ich, der Gottverhaßte,\nHatte nicht genug,\nDaß ich die Felsen faßte\nUnd sie zu Trümmern schlug!\nSie, ihren Frieden mußt ich untergraben!\nDu, Hölle, mußtest dieses Opfer haben.\nHilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen.\nWas muß geschehn, mag's gleich geschehn!\nMag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen\nUnd sie mit mir zugrunde gehn!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWie's wieder siedet, wieder glüht!\nGeh ein und tröste sie, du Tor!\nWo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,\nStellt er sich gleich das Ende vor.\nEs lebe, wer sich tapfer hält!\nDu bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.\nNichts Abgeschmackters find ich auf der Welt\nAls einen Teufel, der verzweifelt.\n\nGretchens Stube.\n\nGretchen (am Spinnrad, allein).\n\nGRETCHEN:\nMeine Ruh ist hin,\nMein Herz ist schwer;\nIch finde sie nimmer\nund nimmermehr.\n\nWo ich ihn nicht hab,\nIst mir das Grab,\nDie ganze Welt\nIst mir vergällt.\n\nMein armer Kopf\nIst mir verrückt,\nMeiner armer Sinn\nIst mir zerstückt.\n\nMeine Ruh ist hin,\nMein Herz ist schwer,\nIch finde sie nimmer\nund nimmermehr.\n\nNach ihm nur schau ich\nZum Fenster hinaus,\nNach ihm nur geh ich\nAus dem Haus.\n\nSein hoher Gang,\nSein edle Gestalt,\nSeines Mundes Lächeln,\nSeiner Augen Gewalt,\n\nUnd seiner Rede\nZauberfluß,\nSein Händedruck,\nUnd ach! sein Kuß!\n\nMeine Ruh ist hin,\nMein Herz ist schwer,\nIch finde sie nimmer\nund nimmermehr.\n\nMein Busen drängt\nSich nach ihm hin,\nAch dürft ich fassen\nUnd halten ihn,\n\nUnd küssen ihn,\nSo wie ich wollt,\nAn seinen Küssen\nVergehen sollt!\n\nMarthens Garten\n\nMargarete. Faust.\n\nMARGARETE:\nVersprich mir, Heinrich!\n\nFAUST:\nWas ich kann!\n\nMARGARETE:\nNun sag, wie hast du's mit der Religion?\nDu bist ein herzlich guter Mann,\nAllein ich glaub, du hältst nicht viel davon.\n\nFAUST:\nLaß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;\nFür meine Lieben ließ' ich Leib und Blut,\nWill niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.\n\nMARGARETE:\nDas ist nicht recht, man muß dran glauben.\n\nFAUST:\nMuß man?\n\nMARGARETE:\nAch! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil'gen\nSakramente.\n\nFAUST:\nIch ehre sie.\n\nMARGARETE:\nDoch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.\nGlaubst du an Gott?\n\nFAUST:\nMein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott?\nMagst Priester oder Weise fragen,\nUnd ihre Antwort scheint nur Spott\nÜber den Frager zu sein.\n\nMARGARETE:\nSo glaubst du nicht?\n\nFAUST:\nMißhör mich nicht, du holdes Angesicht!\nWer darf ihn nennen?\nUnd wer bekennen:\n\"Ich glaub ihn!\"?\nWer empfinden,\nUnd sich unterwinden\nZu sagen: \"Ich glaub ihn nicht!\"?\nDer Allumfasser,\nDer Allerhalter,\nFaßt und erhält er nicht\nDich, mich, sich selbst?\nWölbt sich der Himmel nicht da droben?\nLiegt die Erde nicht hier unten fest?\nUnd steigen freundlich blickend\nEwige Sterne nicht herauf?\nSchau ich nicht Aug in Auge dir,\nUnd drängt nicht alles\nNach Haupt und Herzen dir,\nUnd webt in ewigem Geheimnis\nUnsichtbar sichtbar neben dir?\nErfüll davon dein Herz, so groß es ist,\nUnd wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,\nNenn es dann, wie du willst,\nNenn's Glück! Herz! Liebe! Gott\nIch habe keinen Namen\nDafür! Gefühl ist alles;\nName ist Schall und Rauch,\nUmnebelnd Himmelsglut.\n\nMARGARETE:\nDas ist alles recht schön und gut;\nUngefähr sagt das der Pfarrer auch,\nNur mit ein bißchen andern Worten.\n\nFAUST:\nEs sagen's allerorten\nAlle Herzen unter dem himmlischen Tage,\nJedes in seiner Sprache;\nWarum nicht ich in der meinen?\n\nMARGARETE:\nWenn man's so hört, möcht's leidlich scheinen,\nSteht aber doch immer schief darum;\nDenn du hast kein Christentum.\n\nFAUST:\nLiebs Kind!\n\nMARGARETE:\nEs tut mir lange schon weh, Daß ich dich in der Gesellschaft seh.\n\nFAUST:\nWieso?\n\nMARGARETE:\nDer Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt;\nEs hat mir in meinem Leben\nSo nichts einen Stich ins Herz gegeben\nAls des Menschen widrig Gesicht.\n\nFAUST:\nLiebe Puppe, fürcht ihn nicht!\n\nMARGARETE:\nSeine Gegenwart bewegt mir das Blut.\nIch bin sonst allen Menschen gut;\nAber wie ich mich sehne, dich zu schauen,\nHab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,\nUnd halt ihn für einen Schelm dazu!\nGott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!\n\nFAUST:\nEs muß auch solche Käuze geben.\n\nMARGARETE:\nWollte nicht mit seinesgleichen leben!\nKommt er einmal zur Tür herein,\nSieht er immer so spöttisch drein\nUnd halb ergrimmt;\nMan sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt;\nEs steht ihm an der Stirn geschrieben,\nDaß er nicht mag eine Seele lieben.\nMir wird's so wohl in deinem Arm,\nSo frei, so hingegeben warm,\nUnd seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu.\n\nFAUST:\nDu ahnungsvoller Engel du!\n\nMARGARETE:\nDas übermannt mich so sehr,\nDaß, wo er nur mag zu uns treten,\nMein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.\nAuch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten,\nUnd das frißt mir ins Herz hinein;\nDir, Heinrich, muß es auch so sein.\n\nFAUST:\nDu hast nun die Antipathie!\n\nMARGARETE:\nIch muß nun fort.\n\nFAUST:\nAch kann ich nie Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen\nUnd Brust an Brust und Seel in Seele drängen?\n\nMARGARETE:\nAch wenn ich nur alleine schlief!\nIch ließ dir gern heut nacht den Riegel offen;\nDoch meine Mutter schläft nicht tief,\nUnd würden wir von ihr betroffen,\nIch wär gleich auf der Stelle tot!\n\nFAUST:\nDu Engel, das hat keine Not.\nHier ist ein Fläschchen!\nDrei Tropfen nur In ihren Trank umhüllen\nMit tiefem Schlaf gefällig die Natur.\n\nMARGARETE:\nWas tu ich nicht um deinetwillen?\nEs wird ihr hoffentlich nicht schaden!\n\nFAUST:\nWürd ich sonst, Liebchen, dir es raten?\n\nMARGARETE:\nSeh ich dich, bester Mann, nur an,\nWeiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt,\nIch habe schon so viel für dich getan,\nDaß mir zu tun fast nichts mehr übrigbleibt.\n(Ab.)\n\n(Mephistopheles tritt auf.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nDer Grasaff! ist er weg?\n\nFAUST:\nHast wieder spioniert?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch hab's ausführlich wohl vernommen,\nHerr Doktor wurden da katechisiert;\nHoff, es soll Ihnen wohl bekommen.\nDie Mädels sind doch sehr interessiert,\nOb einer fromm und schlicht nach altem Brauch.\nSie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.\n\nFAUST:\nDu Ungeheuer siehst nicht ein,\nWie diese treue liebe Seele\nVon ihrem Glauben voll,\nDer ganz allein\nIhr seligmachend ist, sich heilig quäle,\nDaß sie den liebsten Mann verloren halten soll.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu übersinnlicher sinnlicher Freier,\nEin Mägdelein nasführet dich.\n\nFAUST:\nDu Spottgeburt von Dreck und Feuer!\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd die Physiognomie versteht sie meisterlich:\nIn meiner Gegenwart wird's ihr, sie weiß nicht wie,\nMein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;\nSie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,\nVielleicht wohl gar der Teufel bin.\nNun, heute nacht-?\n\nFAUST:\nWas geht dich's an?\n\nMEPHISTOPHELES:\nHab ich doch meine Freude dran!\n\nAm Brunnen\n\nGretchen und Lieschen mit Krügen.\n\nLIESCHEN:\nHast nichts von Bärbelchen gehört?\n\nGRETCHEN:\nKein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.\n\nLIESCHEN:\nGewiß, Sibylle sagt' mir's heute:\nDie hat sich endlich auch betört.\nDas ist das Vornehmtun!\n\nGRETCHEN:\nWieso?\n\nLIESCHEN:\nEs stinkt! Sie füttert zwei, wenn sie nun ißt und trinkt.\n\nGRETCHEN:\nAch!\n\nLIESCHEN:\nSo ist's ihr endlich recht ergangen.\nWie lange hat sie an dem Kerl gehangen!\nDas war ein Spazieren,\nAuf Dorf und Tanzplatz Führen,\nMußt überall die Erste sein,\nKurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein;\nBildt sich was auf ihre Schönheit ein,\nWar doch so ehrlos, sich nicht zu schämen,\nGeschenke von ihm anzunehmen.\nWar ein Gekos und ein Geschleck;\nDa ist denn auch das Blümchen weg!\n\nGRETCHEN:\nDas arme Ding!\n\nLIESCHEN:\nBedauerst sie noch gar! Wenn unsereins am Spinnen war,\nUns nachts die Mutter nicht hinunterließ,\nStand sie bei ihrem Buhlen süß;\nAuf der Türbank und im dunkeln Gang\nWard ihnen keine Stunde zu lang.\nDa mag sie denn sich ducken nun,\nIm Sünderhemdchen Kirchbuß tun!\n\nGRETCHEN:\nEr nimmt sie gewiß zu seiner Frau.\n\nLIESCHEN:\nEr wär ein Narr! Ein flinker Jung\nHat anderwärts noch Luft genung.\nEr ist auch fort.\n\nGRETCHEN:\nDas ist nicht schön!\n\nLIESCHEN:\nKriegt sie ihn, soll's ihr übel gehn,\nDas Kränzel reißen die Buben ihr,\nUnd Häckerling streuen wir vor die Tür!\n(Ab.)\n\nGRETCHEN: (nach Hause gehend):\nWie konnt ich sonst so tapfer schmälen,\nWenn tät ein armes Mägdlein fehlen!\nWie konnt ich über andrer Sünden\nNicht Worte gnug der Zunge finden!\nWie schien mir's schwarz, und schwärzt's noch gar,\nMir's immer doch nicht schwarz gnug war,\nUnd segnet mich und tat so groß,\nUnd bin nun selbst der Sünde bloß!\nDoch- alles, was dazu mich trieb,\nGott! war so gut! ach, war so lieb!\n\nZwinger\n\nIn der Mauerhöhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor.\nGretchen steckt frische Blumen in die Kruge.\n\nAch neige,\nDu Schmerzenreiche,\nDein Antlitz gnädig meiner Not!\n\nDas Schwert im Herzen,\nMit tausend Schmerzen\nBlickst auf zu deines Sohnes Tod.\n\nZum Vater blickst du,\nUnd Seufzer schickst du\nHinauf um sein' und deine Not.\n\nWer fühlet,\nWie wühlet\nDer Schmerz mir im Gebein?\nWas mein armes Herz hier banget,\nWas es zittert, was verlanget,\nWeißt nur du, nur du allein!\n\nWohin ich immer gehe\nWie weh, wie weh, wie wehe\nWird mir im Busen hier!\nIch bin, ach! kaum alleine,\nIch wein, ich wein, ich weine,\nDas Herz zerbricht in mir.\n\nDie Scherben vor meinem Fenster\nBetaut ich mit Tränen, ach!\nAls ich am frühen Morgen\nDir diese Blumen brach.\n\nSchien hell in meine Kammer\nDie Sonne früh herauf,\nSaß ich in allem Jammer\nIn meinem Bett schon auf.\n\nHilf! rette mich von Schmach und Tod!\nAch neige,\nDu Schmerzenreiche,\nDein Antlitz gnädig meiner Not!\n\nNacht. Straße vor Gretchens Türe\n\nValentin, Soldat, Gretchens Bruder.\n\nWenn ich so saß bei einem Gelag,\nWo mancher sich berühmen mag,\nUnd die Gesellen mir den Flor\nDer Mägdlein laut gepriesen vor,\nMit vollem Glas das Lob verschwemmt,\nDen Ellenbogen aufgestemmt,\nSaß ich in meiner sichern Ruh,\nHört all dem Schwadronieren zu\nUnd streiche lächelnd meinen Bart\nUnd kriege das volle Glas zur Hand\nUnd sage: \"Alles nach seiner Art!\nAber ist eine im ganzen Land,\nDie meiner trauten Gretel gleicht,\nDie meiner Schwester das Wasser reicht?\"\nTopp! Topp! Kling! Klang! das ging herum;\nDie einen schrieen: \"Er hat recht,\nSie ist die Zier vom ganzen Geschlecht.\"\nDa saßen alle die Lober stumm.\nUnd nun!- um's Haar sich auszuraufen\nUnd an den Wänden hinaufzulaufen!-\nMit Stichelreden, Naserümpfen\nSoll jeder Schurke mich beschimpfen!\nSoll wie ein böser Schuldner sitzen\nBei jedem Zufallswörtchen schwitzen!\nUnd möcht ich sie zusammenschmeißen\nKönnt ich sie doch nicht Lügner heißen.\n\nWas kommt heran? Was schleicht herbei?\nIrr ich nicht, es sind ihrer zwei.\nIst er's, gleich pack ich ihn beim Felle\nSoll nicht lebendig von der Stelle!\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nFAUST:\nWie von dem Fenster dort der Sakristei\nAufwärts der Schein des Ew'gen Lämpchens flämmert\nUnd schwach und schwächer seitwärts dämmert,\nUnd Finsternis drängt ringsum bei!\nSo sieht's in meinem Busen nächtig.\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd mir ist's wie dem Kätzlein schmächtig,\nDas an den Feuerleitern schleicht,\nSich leis dann um die Mauern streicht;\nMir ist's ganz tugendlich dabei,\nEin bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei.\nSo spukt mir schon durch alle Glieder\nDie herrliche Walpurgisnacht.\nDie kommt uns übermorgen wieder,\nDa weiß man doch, warum man wacht.\n\nFAUST:\nRückt wohl der Schatz indessen in die Höh,\nDen ich dort hinten flimmern seh?\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu kannst die Freude bald erleben,\nDas Kesselchen herauszuheben.\nIch schielte neulich so hinein,\nSind herrliche Löwentaler drein.\n\nFAUST:\nNicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,\nMeine liebe Buhle damit zu zieren?\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch sah dabei wohl so ein Ding,\nAls wie eine Art von Perlenschnüren.\n\nFAUST:\nSo ist es recht! Mir tut es weh,\nWenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEs sollt Euch eben nicht verdrießen,\nUmsonst auch etwas zu genießen.\nJetzt, da der Himmel voller Sterne glüht,\nSollt Ihr ein wahres Kunststück hören:\nIch sing ihr ein moralisch Lied,\nUm sie gewisser zu betören. (Singt zur Zither.) Was machst du mir\nVor Liebchens Tür,\nKathrinchen, hier\nBei frühem Tagesblicke?\nLaß, laß es sein!\nEr läßt dich ein\nAls Mädchen ein,\nAls Mädchen nicht zurücke.\n\nNehmt euch in acht!\nIst es vollbracht,\nDann gute Nacht'\nIhr armen, armen Dinger!\nHabt ihr euch lieb,\nTut keinem Dieb\nNur nichts zulieb\nAls mit dem Ring am Finger.\n\nVALENTIN (tritt vor):\nWen lockst du hier? beim Element!\nVermaledeiter Rattenfänger!\nZum Teufel erst das Instrument!\nZum Teufel hinterdrein den Sänger!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDie Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.\n\nVALENTIN:\nNun soll es an ein Schädelspalten!\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nHerr Doktor, nicht gewichen! Frisch!\nHart an mich an, wie ich Euch führe.\nHeraus mit Eurem Flederwisch!\nNur zugestoßen! ich pariere.\n\nVALENTIN:\nPariere den!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWarum denn nicht?\n\nVALENTIN:\nAuch den!\n\nMEPHISTOPHELES:\nGewiß!\n\nVALENTIN:\nIch glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir\nlahm.\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nStoß zu!\n\nVALENTIN (fällt):\nO weh!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNun ist der Lümmel zahm! Nun aber fort! Wir müssen gleich verschwinden\nDenn schon entsteht ein mörderlich Geschrei.\nIch weiß mich trefflich mit der Polizei,\nDoch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.\n\nMARTHE (am Fenster):\nHeraus! Heraus!\n\nGRETCHEN (am Fenster):\nHerbei ein Licht!\n\nMARTHE (wie oben):\nMan schilt und rauft, man schreit und ficht.\n\nVOLK:\nDa liegt schon einer tot!\n\nMARTHE (heraustretend):\nDie Mörder, sind sie denn entflohn?\n\nGRETCHEN (heraustretend):\nWer liegt hier?\n\nVOLK:\nDeiner Mutter Sohn.\n\nGRETCHEN:\nAllmächtiger! welche Not!\n\nVALENTIN:\nIch sterbe! das ist bald gesagt\nUnd balder noch getan.\nWas steht ihr Weiber, heult und klagt?\nKommt her und hört mich an!\n(Alle treten um ihn.)\nMein Gretchen, sieh! du bist noch jung,\nBist gar noch nicht gescheit genung,\nMachst deine Sachen schlecht.\nIch sag dir's im Vertrauen nur:\nDu bist doch nun einmal eine Hur,\nSo sei's auch eben recht!\n\nGRETCHEN:\nMein Bruder! Gott! Was soll mir das?\n\nVALENTIN:\nLaß unsern Herrgott aus dem Spaß!\nGeschehn ist leider nun geschehn\nUnd wie es gehn kann, so wird's gehn.\nDu fingst mit einem heimlich an\nBald kommen ihrer mehre dran,\nUnd wenn dich erst ein Dutzend hat,\nSo hat dich auch die ganze Stadt.\n\nWenn erst die Schande wird geboren,\nWird sie heimlich zur Welt gebracht,\nUnd man zieht den Schleier der Nacht\nIhr über Kopf und Ohren;\nJa, man möchte sie gern ermorden.\nWächst sie aber und macht sich groß,\nDann geht sie auch bei Tage bloß\nUnd ist doch nicht schöner geworden.\nJe häßlicher wird ihr Gesicht,\nJe mehr sucht sie des Tages Licht.\n\nIch seh wahrhaftig schon die Zeit,\nDaß alle brave Bürgersleut,\nWie von einer angesteckten Leichen,\nVon dir, du Metze! seitab weichen.\nDir soll das Herz im Leib verzagen,\nWenn sie dir in die Augen sehn!\nSollst keine goldne Kette mehr tragen!\nIn der Kirche nicht mehr am Altar stehn!\nIn einem schönen Spitzenkragen\nDich nicht beim Tanze wohlbehagen!\nIn eine finstre Jammerecken\nUnter Bettler und Krüppel dich verstecken,\nUnd, wenn dir dann auch Gott verzeiht,\nAuf Erden sein vermaledeit!\n\nMARTHE:\nBefehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!\nWollt Ihr noch Lästrung auf Euch laden?\n\nVALENTIN:\nKönnt ich dir nur an den dürren Leib,\nDu schändlich kupplerisches Weib!\nDa hofft ich aller meiner Sünden\nVergebung reiche Maß zu finden.\n\nGRETCHEN:\nMein Bruder! Welche Höllenpein!\n\nVALENTIN:\nIch sage, laß die Tränen sein!\nDa du dich sprachst der Ehre los,\nGabst mir den schwersten Herzensstoß.\nIch gehe durch den Todesschlaf\nZu Gott ein als Soldat und brav.\n(Stirbt.)\n\nDom\n\nAmt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist hinter\nGretchen.\n\nBÖSER GEIST:\nWie anders, Gretchen, war dir's,\nAls du noch voll Unschuld\nHier zum Altar tratst\nAus dem vergriffnen Büchelchen\nGebete lalltest,\nHalb Kinderspiele,\nHalb Gott im Herzen!\nGretchen!\nWo steht dein Kopf?\nIn deinem Herzen\nWelche Missetat?\nBetst du für deiner Mutter Seele, die\nDurch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief?\nAuf deiner Schwelle wessen Blut?\n- Und unter deinem Herzen\nRegt sich's nicht quillend schon\nUnd ängstet dich und sich\nMit ahnungsvoller Gegenwart?\n\nGRETCHEN:\nWeh! Weh!\nWär ich der Gedanken los,\nDie mir herüber und hinüber gehen\nWider mich!\n\nCHOR:\nDies irae, dies illa\nSolvet saeclum in favilla.\n(Orgelton.)\n\nBÖSER GEIST:\nGrimm faßt dich!\nDie Posaune tönt!\nDie Gräber beben!\nUnd dein Herz,\nAus Aschenruh\nZu Flammenqualen\nWieder aufgeschaffen,\nBebt auf!\n\nGRETCHEN:\nWär ich hier weg!\nMir ist, als ob die Orgel mir\nDen Atem versetzte,\nGesang mein Herz\nIm Tiefsten löste.\n\nCHOR:\nJudex ergo cum sedebit,\nQuidquid latet adparebit,\nNil inultum remanebit.\n\nGRETCHEN:\nMir wird so eng!\nDie Mauernpfeiler\nBefangen mich!\nDas Gewölbe\nDrängt mich!- Luft!\n\nBÖSER GEIST:\nVerbirg dich! Sünd und Schande\nBleibt nicht verborgen.\nLuft? Licht?\nWeh dir!\n\nCHOR:\nQuid sum miser tunc dicturus?\nQuem patronum rogaturus?\nCum vix justus sit securus.\n\nBÖSER GEIST:\nIhr Antlitz wenden\nVerklärte von dir ab.\nDie Hände dir zu reichen,\nSchauert's den Reinen.\nWeh!\n\nCHOR:\nQuid sum miser tunc dicturus?\nGRETCHEN:\nNachbarin! Euer Fläschchen!\n(Sie fällt in Ohnmacht.)\n\nWalpurgisnacht\n\nHarzgebirg Gegend von Schierke und Elend\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nMEPHISTOPHELES:\nVerlangst du nicht nach einem Besenstiele?\nIch wünschte mir den allerderbsten Bock.\nAuf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.\n\nFAUST:\nSolang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,\nGenügt mir dieser Knotenstock.\nWas hilft's, daß man den Weg verkürzt!-\nIm Labyrinth der Täler hinzuschleichen,\nDann diesen Felsen zu ersteigen,\nVon dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,\nDas ist die Lust, die solche Pfade würzt!\nDer Frühling webt schon in den Birken,\nUnd selbst die Fichte fühlt ihn schon;\nSollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?\n\nMEPHISTOPHELES:\nFürwahr, ich spüre nichts davon!\nMir ist es winterlich im Leibe,\nIch wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.\nWie traurig steigt die unvollkommne Scheibe\nDes roten Monds mit später Glut heran\nUnd leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte\nVor einen Baum, vor einen Felsen rennt!\nErlaub, daß ich ein Irrlicht bitte!\nDort seh ich eins, das eben lustig brennt.\nHeda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?\nWas willst du so vergebens lodern?\nSei doch so gut und leucht uns da hinauf!\n\nIRRLICHT:\nAus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen,\nMein leichtes Naturell zu zwingen;\nNur zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEi! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen.\nGeh Er nur grad, in 's Teufels Namen!\nSonst blas ich ihm sein Flackerleben aus.\n\nIRRLICHT:\nIch merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,\nUnd will mich gern nach Euch bequemen.\nAllein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll\nUnd wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll\nSo müßt Ihr's so genau nicht nehmen.\nFAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT (im Wechselgesang):\nIn die Traum- und Zaubersphäre\nSind wir, scheint es, eingegangen.\nFühr uns gut und mach dir Ehre\nDaß wir vorwärts bald gelangen\nIn den weiten, öden Räumen!\nSeh die Bäume hinter Bäumen,\nWie sie schnell vorüberrücken,\nUnd die Klippen, die sich bücken,\nUnd die langen Felsennasen,\nWie sie schnarchen, wie sie blasen!\n\nDurch die Steine, durch den Rasen\nEilet Bach und Bächlein nieder.\nHör ich Rauschen? hör ich Lieder?\nHör ich holde Liebesklage,\nStimmen jener Himmelstage?\nWas wir hoffen, was wir lieben!\nUnd das Echo, wie die Sage\nAlter Zeiten, hallet wider.\n\n\"Uhu! Schuhu!\" tönt es näher,\nKauz und Kiebitz und der Häher,\nSind sie alle wach geblieben?\nSind das Molche durchs Gesträuche?\nLange Beine, dicke Bäuche!\nUnd die Wurzeln, wie die Schlangen,\nWinden sich aus Fels und Sande,\nStrecken wunderliche Bande,\nUns zu schrecken, uns zu fangen;\nAus belebten derben Masern\nStrecken sie Polypenfasern\nNach dem Wandrer. Und die Mäuse\nTausendfärbig, scharenweise,\nDurch das Moos und durch die Heide!\nUnd die Funkenwürmer fliegen\nMit gedrängten Schwärmezügen\nZum verwirrenden Geleite.\n\nAber sag mir, ob wir stehen\nOder ob wir weitergehen?\nAlles, alles scheint zu drehen,\nFels und Bäume, die Gesichter\nSchneiden, und die irren Lichter,\nDie sich mehren, die sich blähen.\nMEPHISTOPHELES:\nFasse wacker meinen Zipfel!\nHier ist so ein Mittelgipfel\nWo man mit Erstaunen sieht,\nWie im Berg der Mammon glüht.\n\nFAUST:\nWie seltsam glimmert durch die Gründe\nEin morgenrötlich trüber Schein!\nUnd selbst bis in die tiefen Schlünde\nDes Abgrunds wittert er hinein.\nDa steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,\nHier leuchtet Glut aus Dunst und Flor\nDann schleicht sie wie ein zarter Faden\nDann bricht sie wie ein Quell hervor.\nHier schlingt sie eine ganze Strecke\nMit hundert Adern sich durchs Tal,\nUnd hier in der gedrängten Ecke\nVereinzelt sie sich auf einmal.\nDa sprühen Funken in der Nähe\nWie ausgestreuter goldner Sand.\nDoch schau! in ihrer ganzen Höhe\nEntzündet sich die Felsenwand.\n\nMEPHISTOPHELES:\nErleuchtet nicht zu diesem Feste\nHerr Mammon prächtig den Palast?\nEin Glück, daß du's gesehen hast,\nIch spüre schon die ungestümen Gäste.\n\nFAUST:\nWie rast die Windsbraut durch die Luft!\nMit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDu mußt des Felsens alte Rippen packen\nSonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.\nEin Nebel verdichtet die Nacht.\nHöre, wie's durch die Wälder kracht!\nAufgescheucht fliegen die Eulen.\nHör, es splittern die Säulen\nEwig grüner Paläste.\nGirren und Brechen der Aste!\nDer Stämme mächtiges Dröhnen!\nDer Wurzeln Knarren und Gähnen!\nIm fürchterlich verworrenen Falle\nÜbereinander krachen sie alle\nUnd durch die übertrümmerten Klüfte\nZischen und heulen die Lüfte.\nHörst du Stimmen in der Höhe?\nIn der Ferne, in der Nähe?\nJa, den ganzen Berg entlang\nStrömt ein wütender Zaubergesang!\n\nHEXEN (im Chor):\nDie Hexen zu dem Brocken ziehn,\nDie Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.\nDort sammelt sich der große Hauf,\nHerr Urian sitzt oben auf.\nSo geht es über Stein und Stock,\nEs farzt die Hexe, es stinkt der Bock.\n\nSTIMME:\nDie alte Baubo kommt allein,\nSie reitet auf einem Mutterschwein.\n\nCHOR:\nSo Ehre denn, wem Ehre gebührt!\nFrau Baubo vor! und angeführt!\nEin tüchtig Schwein und Mutter drauf,\nDa folgt der ganze Hexenhauf.\n\nSTIMME:\nWelchen Weg kommst du her?\n\nSTIMME:\nÜbern Ilsenstein! Da guckt ich der Eule ins Nest hinein,\nDie macht ein Paar Augen!\n\nSTIMME:\nO fahre zur Hölle! Was reitst du so schnelle!\n\nSTIMME:\nMich hat sie geschunden,\nDa sieh nur die Wunden!\n\nHEXEN, CHOR:\nDer Weg ist breit, der Weg ist lang,\nWas ist das für ein toller Drang?\nDie Gabel sticht, der Besen kratzt,\nDas Kind erstickt, die Mutter platzt.\n\nHEXENMEISTER, HALBER CHOR:\nWir schleichen wie die Schneck im Haus,\nDie Weiber alle sind voraus.\nDenn, geht es zu des Bösen Haus,\nDas Weib hat tausend Schritt voraus.\n\nANDERE HÄLFTE:\nWir nehmen das nicht so genau,\nMit tausend Schritten macht's die Frau;\nDoch wie sie sich auch eilen kann,\nMit einem Sprunge macht's der Mann.\n\nSTIMME (oben):\nKommt mit, kommt mit, vom Felsensee!\n\nSTIMMEN (von unten):\nWir möchten gerne mit in die Höh.\nWir waschen, und blank sind wir ganz und gar;\nAber auch ewig unfruchtbar.\n\nBEIDE CHÖRE:\nEs schweigt der Wind, es flieht der Stern,\nDer trübe Mond verbirgt sich gern.\nIm Sausen sprüht das Zauberchor\nViel tausend Feuerfunken hervor.\n\nSTIMME (von unten):\nHalte! Haltet\n\nSTIMME (oben):\nWer ruft da aus der Felsenspalte?\n\nSTIMME (von unten):\nNehmt mich mit! Nehmt mich mit!\nIch steige schon dreihundert Jahr,\nUnd kann den Gipfel nicht erreichen\nIch wäre gern bei meinesgleichen.\n\nBEIDE CHÖRE:\nEs trägt der Besen, trägt der Stock\nDie Gabel trägt, es trägt der Bock\nWer heute sich nicht heben kann\nIst ewig ein verlorner Mann.\n\nHALBHEXE (unten):\nIch tripple nach, so lange Zeit;\nWie sind die andern schon so weit!\nIch hab zu Hause keine Ruh\nUnd komme hier doch nicht dazu.\n\nCHOR DER HEXEN:\nDie Salbe gibt den Hexen Mut,\nEin Lumpen ist zum Segel gut\nEin gutes Schiff ist jeder Trog\nDer flieget nie, der heut nicht flog.\n\nBEIDE CHÖRE:\nUnd wenn wir um den Gipfel ziehn,\nSo streichet an dem Boden hin\nUnd deckt die Heide weit und breit\nMit eurem Schwarm der Hexenheit\n(Sie lassen sich nieder.)\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas drängt und stößt, das ruscht und klappert!\nDas zischt und quirlt, das zieht und plappert!\nDas leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!\nEin wahres Hexenelement!\nNur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.\nWo bist du?\n\nFAUST (in der Ferne):\nHier!\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas! dort schon hingerissen? Da werd ich Hausrecht brauchen müssen.\nPlatz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!\nHier, Doktor, fasse mich! und nun in einem Satz\nLaß uns aus dem Gedräng entweichen;\nEs ist zu toll, sogar für meinesgleichen.\nDortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,\nEs zieht mich was nach jenen Sträuchen.\nKomm, komm! wir schlupfen da hinein.\n\nFAUST:\nDu Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.\nIch denke doch, das war recht klug gemacht:\nZum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,\nUm uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDa sieh nur, welche bunten Flammen!\nEs ist ein muntrer Klub beisammen.\nIm Kleinen ist man nicht allein.\n\nFAUST:\nDoch droben möcht ich lieber sein!\nSchon seh ich Glut und Wirbelrauch.\nDort strömt die Menge zu dem Bösen;\nDa muß sich manches Rätsel lösen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDoch manches Rätsel knüpft sich auch.\nLaß du die große Welt nur sausen,\nWir wollen hier im stillen hausen.\nEs ist doch lange hergebracht,\nDaß in der großen Welt man kleine Welten macht.\nDa seh ich junge Hexchen, nackt und bloß,\nUnd alte, die sich klug verhüllen.\nSeid freundlich, nur um meinetwillen;\nDie Müh ist klein, der Spaß ist groß.\nIch höre was von Instrumenten tönen!\nVerflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewohnen.\nKomm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,\nIch tret heran und führe dich herein,\nUnd ich verbinde dich aufs neue.\nWas sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.\nDa sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.\nEin Hundert Feuer brennen in der Reihe\nMan tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt\nNun sage mir, wo es was Bessers gibt?\n\nFAUST:\nWillst du dich nun, um uns hier einzuführen,\nAls Zaubrer oder Teufel produzieren?\n\nMEPHISTOPHELES:\nZwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn,\nDoch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.\nEin Knieband zeichnet mich nicht aus,\nDoch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.\nSiehst du die Schnecke da? sie kommt herangekrochen;\nMit ihrem tastenden Gesicht\nHat sie mir schon was abgerochen.\nWenn ich auch will, verleugn ich hier mich nicht.\nKomm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,\nIch bin der Werber, und du bist der Freier.\n(Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen:)\nIhr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?\nIch lobt euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,\nVon Saus umzirkt und Jugendbraus;\nGenug allein ist jeder ja zu Haus.\n\nGENERAL:\nWer mag auf Nationen trauen!\nMan habe noch so viel für sie getan;\nDenn bei dem Volk wie bei den Frauen\nSteht immerfort die Jugend oben an.\n\nMINISTER:\nJetzt ist man von dem Rechten allzu weit,\nIch lobe mir die guten Alten;\nDenn freilich, da wir alles galten,\nDa war die rechte goldne Zeit.\n\nPARVENÜ:\nWir waren wahrlich auch nicht dumm\nUnd taten oft, was wir nicht sollten;\nDoch jetzo kehrt sich alles um und um,\nUnd eben da wir's fest erhalten wollten.\n\nAUTOR:\nWer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift\nVon mäßig klugem Inhalt lesen!\nUnd was das liebe junge Volk betrifft,\nDas ist noch nie so naseweis gewesen.\n\nMEPHISTOPHELES (der auf einmal sehr alt erscheint):\nZum Jüngsten Tag fühl ich das Volk gereift,\nDa ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige,\nUnd weil mein Fäßchen trübe läuft,\nSo ist die Welt auch auf der Neige.\n\nTRÖDELHEXE:\nIhr Herren, geht nicht so vorbei!\nLaßt die Gelegenheit nicht fahren!\nAufmerksam blickt nach meinen Waren,\nEs steht dahier gar mancherlei.\nUnd doch ist nichts in meinem Laden,\nDem keiner auf der Erde gleicht,\nDas nicht einmal zum tücht'gen Schaden\nDer Menschen und der Welt gereicht.\nKein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,\nKein Kelch, aus dem sich nicht in ganz gesunden Leib\nVerzehrend heißes Gift ergossen,\nKein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib\nVerführt, kein Schwert, das nicht den Bund gebrochen,\nNicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nFrau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.\nGetan, geschehn! Geschehn, getan!\nVerleg Sie sich auf Neuigkeiten!\nNur Neuigkeiten ziehn uns an.\n\nFAUST:\nDaß ich mich nur nicht selbst vergesse!\nHeiß ich mir das doch eine Messe!\nMEPHISTOPHELES:\nDer ganze Strudel strebt nach oben;\nDu glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.\n\nFAUST:\nWer ist denn das?\n\nMEPHISTOPHELES:\nBetrachte sie genau! Lilith ist das.\n\nFAUST:\nWer?\n\nMEPHISTOPHELES:\nAdams erste Frau. Nimm dich in acht vor ihren schönen Haaren,\nVor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.\nWenn sie damit den jungen Mann erlangt,\nSo läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.\n\nFAUST:\nDa sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;\nDie haben schon was Rechts gesprungen!\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas hat nun heute keine Ruh.\nEs geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.\n\nFAUST (mit der Jungen tanzend):\nEinst hatt ich einen schönen Traum\nDa sah ich einen Apfelbaum,\nZwei schöne Äpfel glänzten dran,\nSie reizten mich, ich stieg hinan.\n\nDIE SCHÖNE:\nDer Äpfelchen begehrt ihr sehr,\nUnd schon vom Paradiese her.\nVon Freuden fühl ich mich bewegt,\nDaß auch mein Garten solche trägt.\n\nMEPHISTOPHELES (mit der Alten):\nEinst hatt ich einen wüsten Traum\nDa sah ich einen gespaltnen Baum,\nDer hatt ein ungeheures Loch;\nSo groß es war, gefiel mir's doch.\n\nDIE ALTE:\nIch biete meinen besten Gruß\nDem Ritter mit dem Pferdefuß!\nHalt Er einen rechten Pfropf bereit,\nWenn Er das große Loch nicht scheut.\n\nPROKTOPHANTASMIST:\nVerfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?\nHat man euch lange nicht bewiesen:\nEin Geist steht nie auf ordentlichen Füßen?\nNun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!\n\nDIE SCHÖNE (tanzend):\nWas will denn der auf unserm Ball?\n\nFAUST (tanzend):\nEi! der ist eben überall.\nWas andre tanzen, muß er schätzen.\nKann er nicht jeden Schritt beschwätzen,\nSo ist der Schritt so gut als nicht geschehn.\nAm meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.\nWenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,\nWie er's in seiner alten Mühle tut\nDas hieß' er allenfalls noch gut\nBesonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.\n\nPROKTOPHANTASMIST:\nIhr seid noch immer da! nein, das ist unerhört.\nVerschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!\nDas Teufelspack, es fragt nach keiner Regel\nWir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel.\nWie lange hab ich nicht am Wahn hinausgekehrt,\nUnd nie wird's rein; das ist doch unerhört!\n\nDIE SCHÖNE:\nSo hört doch auf, uns hier zu ennuyieren!\n\nPROKTOPHANTASMIST:\nIch sag's euch Geistern ins Gesicht:\nDen Geistesdespotismus leid ich nicht;\nMein Geist kann ihn nicht exerzieren.\n(Es wird fortgetanzt.)\nHeut, seh ich, will mir nichts gelingen;\nDoch eine Reise nehm ich immer mit\nUnd hoffe noch vor meinem letzten Schritt\nDie Teufel und die Dichter zu bezwingen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEr wird sich gleich in eine Pfütze setzen,\nDas ist die Art, wie er sich soulagiert,\nUnd wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,\nIst er von Geistern und von Geist kuriert.\n(Zu Faust, der aus dem Tanz getreten ist.)\nWas lässest du das schöne Mädchen fahren,\nDas dir zum Tanz so lieblich sang?\n\nFAUST:\nAch! mitten im Gesange sprang\nEin rotes Mäuschen ihr aus dem Munde.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas ist was Rechts! das nimmt man nicht genau;\nGenug, die Maus war doch nicht grau.\nWer fragt darnach in einer Schäferstunde?\n\nFAUST:\nDann sah ich-\n\nMEPHISTOPHELES:\nWas?\n\nFAUST:\nMephisto, siehst du dort Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?\nSie schiebt sich langsam nur vom Ort,\nSie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.\nIch muß bekennen, daß mir deucht,\nDaß sie dem guten Gretchen gleicht.\n\nMEPHISTOPHELES:\nLaß das nur stehn! dabei wird's niemand wohl.\nEs ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.\nIhm zu begegnen, ist nicht gut:\nVom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,\nUnd er wird fast in Stein verkehrt;\nVon der Meduse hast du ja gehört.\n\nFAUST:\nFürwahr, es sind die Augen einer Toten,\nDie eine liebende Hand nicht schloß.\nDas ist die Brust, die Gretchen mir geboten,\nDas ist der süße Leib, den ich genoß.\n\nMEPHISTOPHELES:\nDas ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!\nDenn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.\n\nFAUST:\nWelch eine Wonne! welch ein Leiden!\nIch kann von diesem Blick nicht scheiden.\nWie sonderbar muß diesen schönen Hals\nEin einzig rotes Schnürchen schmücken,\nNicht breiter als ein Messerrücken!\n\nMEPHISTOPHELES:\nGanz recht! ich seh es ebenfalls.\nSie kann das Haupt auch unterm Arme tragen,\nDenn Perseus hat's ihr abgeschlagen.\nNur immer diese Lust zum Wahn!\nKomm doch das Hügelchen heran,\nHier ist's so lustig wie im Prater\nUnd hat man mir's nicht angetan,\nSo seh ich wahrlich ein Theater.\nWas gibt's denn da?\n\nSERVIBILIS:\nGleich fängt man wieder an. Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben.\nSo viel zu geben ist allhier der Brauch,\nEin Dilettant hat es geschrieben\nUnd Dilettanten spielen's auch.\nVerzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde\nMich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn.\n\nMEPHISTOPHELES:\nWenn ich euch auf dem Blocksberg finde,\nDas find ich gut; denn da gehört ihr hin.\n\nWalpurgisnachtstraum\n\noder Oberons und Titanias goldne Hochzeit Intermezzo\n\nTHEATERMEISTER:\nHeute ruhen wir einmal,\nMiedings wackre Söhne.\nAlter Berg und feuchtes Tal,\nDas ist die ganze Szene!\n\nHEROLD:\nDaß die Hochzeit golden sei,\nSolln funfzig Jahr sein vorüber;\nAber ist der Streit vorbei,\nDas golden ist mir lieber.\n\nOBERON:\nSeid ihr Geister, wo ich bin,\nSo zeigt's in diesen Stunden;\nKönig und die Königin,\nSie sind aufs neu verbunden.\n\nPUCK:\nKommt der Puck und dreht sich quer\nUnd schleift den Fuß im Reihen;\nHundert kommen hinterher,\nSich auch mit ihm zu freuen.\n\nARIEL:\nAriel bewegt den Sang\nIn himmlisch reinen Tönen;\nViele Fratzen lockt sein Klang,\nDoch lockt er auch die Schönen.\n\nOBERON:\nGatten, die sich vertragen wollen,\nLernen's von uns beiden!\nWenn sich zweie lieben sollen,\nBraucht man sie nur zu scheiden.\n\nTITANIA:\nSchmollt der Mann und grillt die Frau,\nSo faßt sie nur behende,\nFührt mir nach dem Mittag sie,\nUnd ihn an Nordens Ende.\n\nORCHESTER TUTTI (Fortissimo):\nFliegenschnauz und Mückennas\nMit ihren Anverwandten,\nFrosch im Laub und Grill im Gras,\nDas sind die Musikanten!\n\nSOLO:\nSeht, da kommt der Dudelsack!\nEs ist die Seifenblase.\nHört den Schneckeschnickeschnack\nDurch seine stumpfe Nase\n\nGEIST, DER SICH ERST BILDET:\nSpinnenfuß und Krötenbauch\nUnd Flügelchen dem Wichtchen!\nZwar ein Tierchen gibt es nicht,\nDoch gibt es ein Gedichtchen.\n\nEIN PÄRCHEN:\nKleiner Schritt und hoher Sprung\nDurch Honigtau und Düfte\nZwar du trippelst mir genung,\nDoch geh's nicht in die Lüfte.\n\nNEUGIERIGER REISENDER:\nIst das nicht Maskeradenspott?\nSoll ich den Augen trauen,\nOberon, den schönen Gott,\nAuch heute hier zu schauen?\n\nORTHODOX:\nKeine Klauen, keinen Schwanz!\nDoch bleibt es außer Zweifel:\nSo wie die Götter Griechenlands,\nSo ist auch er ein Teufel.\n\nNORDISCHER KÜNSTLER:\nWas ich ergreife, das ist heut\nFürwahr nur skizzenweise;\nDoch ich bereite mich beizeit\nZur italien'schen Reise.\n\nPURIST:\nAch! mein Unglück führt mich her:\nWie wird nicht hier geludert!\nUnd von dem ganzen Hexenheer\nSind zweie nur gepudert.\n\nJUNGE HEXE\nDer Puder ist so wie der Rock\nFür alt' und graue Weibchen,\nDrum sitz ich nackt auf meinem Bock\nUnd zeig ein derbes Leibchen.\n\nMATRONE:\nWir haben zu viel Lebensart\nUm hier mit euch zu maulen!\nDoch hoff ich, sollt ihr jung und zart\nSo wie ihr seid, verfaulen.\n\nKAPELLMEISTER:\nFliegenschnauz und Mückennas\nUmschwärmt mir nicht die Nackte!\nFrosch im Laub und Grill im Gras,\nSo bleibt doch auch im Takte!\n\nWINDFAHNE (nach der einen Seite):\nGesellschaft, wie man wünschen kann:\nWahrhaftig lauter Bräute!\nUnd Junggesellen, Mann für Mann,\nDie hoffnungsvollsten Leute!\n\nWINDFAHNE (nach der andern Seite):\nUnd tut sich nicht der Boden auf,\nSie alle zu verschlingen,\nSo will ich mit behendem Lauf\nGleich in die Hölle springen.\n\nXENIEN:\nAls Insekten sind wir da,\nMit kleinen scharfen Scheren,\nSatan, unsern Herrn Papa,\nNach Würden zu verehren.\n\nHENNINGS:\nSeht, wie sie in gedrängter Schar\nNaiv zusammen scherzen!\nAm Ende sagen sie noch gar,\nSie hätten gute Herzen.\n\nMUSAGET:\nIch mag in diesem Hexenheer\nMich gar zu gern verlieren;\nDenn freilich diese wüßt ich eh'r\nAls Musen anzuführen.\n\nCI-DEVANT GENIUS DER ZEIT:\nMit rechten Leuten wird man was.\nKomm, fasse meinen Zipfel!\nDer Blocksberg, wie der deutsche Parnaß,\nHat gar einen breiten Gipfel.\n\nNEUGIERIGER REISENDER:\nSagt, wie heißt der steife Mann?\nEr geht mit stolzen Schritten.\nEr schnopert, was er schnopern kann.\n\"Er spürt nach Jesuiten.\"\n\nKRANICH:\nIn dem klaren mag ich gern\nUnd auch im trüben fischen;\nDarum seht ihr den frommen Herrn\nSich auch mit Teufeln mischen.\n\nWELTKIND:\nJa, für die Frommen, glaubet mir,\nIst alles ein Vehikel,\nSie bilden auf dem Blocksberg hier\nGar manches Konventikel.\n\nTÄNZER:\nDa kommt ja wohl ein neues Chor?\nIch höre ferne Trommeln.\n\"Nur ungestört! es sind im Rohr\nDie unisonen Dommeln.\"\n\nTANZMEISTER:\nWie jeder doch die Beine lupft!\nSich, wie er kann, herauszieht!\nDer Krumme springt, der Plumpe hupft\nUnd fragt nicht, wie es aussieht.\n\nFIEDLER:\nDas haßt sich schwer, das Lumpenpack,\nUnd gäb sich gern das Restchen;\nEs eint sie hier der Dudelsack,\nWie Orpheus' Leier die Bestjen.\n\nDOGMATIKER:\nIch lasse mich nicht irre schrein,\nNicht durch Kritik noch Zweifel.\nDer Teufel muß doch etwas sein;\nWie gäb's denn sonst auch Teufel?\n\nIDEALIST:\nDie Phantasie in meinem Sinn\nIst diesmal gar zu herrisch.\nFürwahr, wenn ich das alles bin,\nSo bin ich heute närrisch.\n\nREALIST:\nDas Wesen ist mir recht zur Qual\nUnd muß mich baß verdrießen;\nIch stehe hier zum erstenmal\nNicht fest auf meinen Füßen.\n\nSUPERNATURALIST:\nMit viel Vergnügen bin ich da\nUnd freue mich mit diesen;\nDenn von den Teufeln kann ich ja\nAuf gute Geister schließen.\n\nSKEPTIKER:\nSie gehn den Flämmchen auf der Spur\nUnd glaubn sich nah dem Schatze.\nAuf Teufel reimt der Zweifel nur;\nDa bin ich recht am Platze.\n\nKAPELLMEISTER:\nFrosch im Laub und Grill im Gras,\nVerfluchte Dilettanten!\nFliegenschnauz und Mückennas,\nIhr seid doch Musikanten!\n\nDIE GEWANDTEN:\nSanssouci, so heißt das Heer\nVon lustigen Geschöpfen;\nAuf den Füßen geht's nicht mehr,\nDrum gehn wir auf den Köpfen.\n\nDIE UNBEHILFLICHEN:\nSonst haben wir manchen Bissen erschranzt,\nNun aber Gott befohlen!\nUnsere Schuhe sind durchgetanzt,\nWir laufen auf nackten Sohlen.\n\nIRRLICHTER:\nVon dem Sumpfe kommen wir,\nWoraus wir erst entstanden;\nDoch sind wir gleich im Reihen hier\nDie glänzenden Galanten.\n\nSTERNSCHNUPPE:\nAus der Höhe schoß ich her\nIm Stern- und Feuerscheine,\nLiege nun im Grase quer-\nWer hilft mir auf die Beine?\n\nDIE MASSIVEN:\nPlatz und Platz! und ringsherum!\nSo gehn die Gräschen nieder.\nGeister kommen, Geister auch,\nSie haben plumpe Glieder.\n\nPUCK:\nTretet nicht so mastig auf\nWie Elefantenkälber,\nUnd der plumpst' an diesem Tag\nSei Puck, der derbe, selber.\n\nARIEL:\nGab die liebende Natur,\nGab der Geist euch Flügel,\nFolget meiner leichten Spur,\nAuf zum Rosenhügel!\n\nORCHESTER (Pianissimo):\nWolkenzug und Nebelflor\nErhellen sich von oben.\nLuft im Laub und Wind im Rohr,\nUnd alles ist zerstoben.\n\nTrüber Tag. Feld\n\nFaust. Mephistopheles.\n\nFAUST:\nIm Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun\ngefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt,\ndas holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin!- Verräterischer,\nnichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!- Steh nur, steh!\nwälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir\ndurch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen\nElend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit!\nUnd mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir\nihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!\n\nMEPHISTOPHELES:\nSie ist die erste nicht.\n\nFAUST:\nHund! abscheuliches Untier!- Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den\nWurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicherweile gefiel,\nvor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern und\nsich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl' ihn wieder in\nseine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche ich\nihn mit Füßen trete, den Verworfnen!- \"Die erste nicht!\"- Jammer! Jammer!\nvon keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe\ndieses Elendes versank, daß nicht das erste genugtat für die Schuld aller\nübrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden!\nMir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen- du grinsest\ngelassen über das Schicksal von Tausenden hin!\n\nMEPHISTOPHELES:\nNun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen\nder Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie\nnicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht\nsicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?\n\nFAUST:\nFletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir ekelt's!-\nGroßer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein\nHerz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden,\nder sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?\n\nMEPHISTOPHELES:\nEndigst du?\n\nFAUST:\nRette sie! oder weh dir! Den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen.-\n\"Rette sie!\"- Wer war's, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?\n(Faust blickt wild umher.)\nGreifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden Sterblichen nicht\ngegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so\nTyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen.\n\nFAUST:\nBringe mich hin! Sie soll frei sein!\n\nMEPHISTOPHELES:\nUnd die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt\nBlutschuld von deiner Hand. Über des Erschlagenen Stätte schweben rächende\nGeister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder.\n\nFAUST:\nNoch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer! Führe mich\nhin, sag ich, und befrei sie.\n\nMEPHISTOPHELES:\nIch führe dich, und was ich tun kann, höre! Habe ich alle Macht im Himmel\nund auf Erden? Des Türners Sinne will ich umnebeln, bemächtige dich der\nSchlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand! Ich wache, die\nZauberpferde sind bereit, ich entführe euch. Das vermag ich.\n\nFAUST:\nAuf und davon!\n\nNacht, offen Feld\n\nFaust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend.\n\nFAUST:\nWas weben die dort um den Rabenstein?\n\nMEPHISTOPHELES:\nWeiß nicht, was sie kochen und schaffen.\n\nFAUST:\nSchweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich.\n\nMEPHISTOPHELES:\nEine Hexenzunft.\n\nFAUST:\nSie streuen und weihen.\n\nMEPHISTOPHELES:\nVorbei! Vorbei!\n\nKerker\n\nFaust mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen Türchen.\n\nMich faßt ein längst entwohnter Schauer,\nDer Menschheit ganzer Jammer faßt mich an\nHier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer\nUnd ihr Verbrechen war ein guter Wahn\nDu zauderst, zu ihr zu gehen!\nDu fürchtest, sie wiederzusehen!\nFort! dein Zagen zögert den Tod heran.\n(Er ergreift das Schloß. Es singt inwendig.)\nMeine Mutter, die Hur\nDie mich umgebracht hat!\nMein Vater, der Schelm\nDer mich gessen hat!\nMein Schwesterlein klein\nHub auf die Bein\nAn einem kühlen Ort;\nDa ward ich ein schönes Waldvögelein;\nFliege fort, fliege fort!\nFAUST (aufschließend):\nSie ahnet nicht, daß der Geliebte lauscht,\nDie Ketten klirren hört, das Stroh, das rauscht.\n(Er tritt ein.)\n\nMARGARETE (sich auf dem Lager verbergend):\nWeh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!\n\nFAUST (leise):\nStill! Still! ich komme, dich zu befreien.\n\nMARGARETE (sich vor ihn hinwälzend):\nBist du ein Mensch, so fühle meine Not.\n\nFAUST:\nDu wirst die Wächter aus dem Schlafe schreien!\n(Er faßt die Ketten, sie aufzuschließen.)\n\nMARGARETE (auf den Knien):\nWer hat dir Henker diese Macht\nÜber mich gegeben!\nDu holst mich schon um Mitternacht.\nErbarme dich und laß mich leben!\nIst's morgen früh nicht zeitig genung?\n(Sie steht auf.)\nBin ich doch noch so jung, so jung!\nUnd soll schon sterben!\nSchön war ich auch, und das war mein Verderben.\nNah war der Freund, nun ist er weit;\nZerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.\nFasse mich nicht so gewaltsam an!\nSchone mich! Was hab ich dir getan?\nLaß mich nicht vergebens flehen,\nHab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!\n\nFAUST:\nWerd ich den Jammer überstehen!\n\nMARGARETE:\nIch bin nun ganz in deiner Macht.\nLaß mich nur erst das Kind noch tränken.\nIch herzt es diese ganze Nacht;\nSie nahmen mir's, um mich zu kränken,\nUnd sagen nun, ich hätt es umgebracht.\nUnd niemals werd ich wieder froh..\nSie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!\nEin altes Märchen endigt so,\nWer heißt sie's deuten?\n\nFAUST (wirft sich nieder):\nEin Liebender liegt dir zu Füßen,\nDie Jammerknechtschaft aufzuschließen.\n\nMARGARETE (wirft sich zu ihm):\nO laß uns knien, die Heil'gen anzurufen!\nSieh! unter diesen Stufen,\nUnter der Schwelle\nSiedet die Hölle!\nDer Böse,\nMit furchtbarem Grimme,\nMacht ein Getöse!\n\nFAUST (lacht):\nGretchen! Gretchen!\n\nMARGARETE (aufmerksam):\nDas war des Freundes Stimme!\n(Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.)\nWo ist er? ich hab ihn rufen hören.\nIch bin frei! mir soll niemand wehren.\nAn seinen Hals will ich fliegen,\nAn seinem Busen liegen!\nEr rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.\nMitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,\nDurch den grimmigen, teuflischen Hohn\nErkannt ich den süßen, den liebenden Ton.\n\nFAUST:\nIch bin's!\n\nMARGARETE:\nDu bist's! O sag es noch einmal!\n(Ihn fassend.)\nEr ist's! Er ist's! Wohin ist alle Qual?\nWohin die Angst des Kerkers? der Ketten?\nDu bist's! Kommst, mich zu retten.\nIch bin gerettet!\nSchon ist die Straße wieder da\nAuf der ich dich zum ersten Male sah\nUnd der heitere Garten'\nWo ich und Marthe deiner warten\n\nFAUST (fortstrebend):\nKomm mit! Komm mit!\n\nMARGARETE:\nO weile Weil ich doch so gern, wo du weilest.\n(Liebkosend.)\n\nFAUST:\nEile!\nWenn du nicht eilest\nWerden wir's teuer büßen müssen.\n\nMARGARETE:\nWie? du kannst nicht mehr küssen?\nMein Freund, so kurz von mir entfernt\nUnd hast's Küssen verlernt?\nWarum wird mir an deinem Halse so bang?\nWenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken\nEin ganzer Himmel mich überdrang\nUnd du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.\nKüsse mich!\nSonst küß ich dich! (Sie umfaßt ihn.)\nO weh! deine Lippen sind kalt,\nSind stumm.\nWo ist dein Lieben\nGeblieben?\nWer brachte mich drum? (Sie wendet sich von ihm.)\n\nFAUST:\nKomm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!\nIch herze dich mit tausendfacher Glut\nNur folge mir! Ich bitte dich nur dies!\n\nMARGARETE (zu ihm gewendet):\nUnd bist du's denn? Und bist du's auch gewiß?\n\nFAUST:\nIch bin's! Komm mit!\n\nMARGARETE:\nDu machst die Fesseln los, Nimmst wieder mich in deinen Schoß.\nWie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?\nUnd weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?\n\nFAUST:\nKomm! komm! schon weicht die tiefe Nacht.\n\nMARGARETE:\nMeine Mutter hab ich umgebracht,\nMein Kind hab ich ertränkt.\nWar es nicht dir und mir geschenkt?\nDir auch.- Du bist's! ich glaub es kaum.\nGib deine Hand! Es ist kein Traum!\nDeine liebe Hand!- Ach, aber sie ist feucht!\nWische sie ab! Wie mich deucht,\nIst Blut dran.\nAch Gott! was hast du getan!\nStecke den Degen ein,\nIch bitte dich drum!\nFAUST:\nLaß das Vergangne vergangen sein,\nDu bringst mich um.\n\nMARGARETE:\nNein, du mußt übrigbleiben!\nIch will dir die Gräber beschreiben,\nFür die mußt du sorgen\nGleich morgen;\nDer Mutter den besten Platz geben,\nMeinen Bruder sogleich darneben,\nMich ein wenig beiseit',\nNur nicht gar zu weit!\nUnd das Kleine mir an die rechte Brust.\nNiemand wird sonst bei mir liegen!-\nMich an deine Seite zu schmiegen,\nDas war ein süßes, ein holdes Glück!\nAber es will mir nicht mehr gelingen;\nMir ist's, als müßt ich mich zu dir zwingen,\nAls stießest du mich von dir zurück;\nUnd doch bist du's und blickst so gut, so fromm.\n\nFAUST:\nFühlst du, daß ich es bin, so komm!\n\nMARGARETE:\nDahinaus?\n\nFAUST:\nIns Freie.\n\nMARGARETE:\nIst das Grab drauß, Lauert der Tod, so komm!\nVon hier ins ewige Ruhebett\nUnd weiter keinen Schritt\nDu gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!\n\nFAUST:\nDu kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!\n\nMARGARETE:\nIch darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.\nWas hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.\nEs ist so elend, betteln zu müssen\nUnd noch dazu mit bösem Gewissen!\nEs ist so elend, in der Fremde schweifen\nUnd sie werden mich doch ergreifen!\n\nFAUST:\nIch bleibe bei dir\n\nMARGARETE:\nGeschwind! Geschwind!\nRette dein armes Kind!\nFort! immer den Weg\nAm Bach hinauf,\nÜber den Steg,\nIn den Wald hinein,\nLinks, wo die Planke steht,\nIm Teich.\nFaß es nur gleich!\nEs will sich heben,\nEs zappelt noch!\nRette! rette!\n\nFAUST:\nBesinne dich doch!\nNur einen Schritt, so bist du frei!\n\nMARGARETE:\nWären wir nur den Berg vorbei!\nDa sitzt meine Mutter auf einem Stein,\nEs faßt mich kalt beim Schopfe!\nDa sitzt meine Mutter auf einem Stein\nUnd wackelt mit dem Kopfe\nSie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer,\nSie schlief so lange, sie wacht nicht mehr.\nSie schlief, damit wir uns freuten.\nEs waren glückliche Zeiten!\n\nFAUST:\nHilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen,\nSo wag ich's, dich hinwegzutragen.\n\nMARGARETE:\nLaß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!\nFasse mich nicht so mörderisch an!\nSonst hab ich dir ja alles zulieb getan.\n\nFAUST:\nDer Tag graut! Liebchen! Liebchen!\n\nMARGARETE:\nTag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein;\nMein Hochzeittag sollt es sein!\nSag niemand, daß du schon bei Gretchen warst.\nWeh meinem Kranze!\nEs ist eben geschehn!\nWir werden uns wiedersehn;\nAber nicht beim Tanze.\nDie Menge drängt sich, man hört sie nicht.\nDer Platz, die Gassen\nKönnen sie nicht fassen.\nDie Glocke ruft, das Stäbchen bricht.\nWie sie mich binden und packen!\nZum Blutstuhl bin ich schon entrückt.\nSchon zuckt nach jedem Nacken\nDie Schärfe, die nach meinem zückt.\nStumm liegt die Welt wie das Grab!\n\nFAUST:\nO wär ich nie geboren!\n\nMEPHISTOPHELES (erscheint draußen):\nAuf! oder ihr seid verloren.\nUnnützes Zagen! Zaudern und Plaudern!\nMein Pferde schaudern,\nDer Morgen dämmert auf.\n\nMARGARETE:\nWas steigt aus dem Boden herauf?\nDer! der! Schick ihn fort!\nWas will der an dem heiligen Ort?\nEr will mich!\n\nFAUST:\nDu sollst leben!\n\nMARGARETE:\nGericht Gottes! dir hab ich mich übergeben!\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nKomm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.\n\nMARGARETE:\nDein bin ich, Vater! Rette mich!\nIhr Engel! Ihr heiligen Scharen,\nLagert euch umher, mich zu bewahren!\nHeinrich! Mir graut's vor dir.\n\nMEPHISTOPHELES:\nSie ist gerichtet!\n\nSTIMME (von oben):\nIst gerettet!\n\nMEPHISTOPHELES (zu Faust):\nHer zu mir!\n(Verschwindet mit Faust.)\n\nSTIMME (von innen, verhallend):\nHeinrich! Heinrich!"